Impulse zu den Bildwelten der Bibel

Warum ist die Inkarnation des Logos ein Hochzeits-Mysterium?

Bild: Zur Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11) kommt Jesus mit seiner Mutter Maria als der verborgene wahre Bräutigam: Wer die Braut hat, ist der Bräutigam, sagt Johannes der Täufer (Joh 3,29), der auf Jesus als Lamm Gottes hingewiesen hat, der am Kreuz die Sünde der Welt hinwegnimmt (Joh 1,29). In seiner Hingabe am Kreuz erwirbt sich Jesus als wahres Osterlamm mit seinem Blut des Bundes zur Vergebung der Sünden (Mt 26,28; Ex 24,8) die Kirche als  makellose Braut, mit der er ein Geist und ein Fleisch sein kann (Eph 4,4; 5,27-31); Jesus zur Ehe: Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins (Mt 19,6)


Augustinus deutet die Inkarnation des Logos (Wortes) im Schoß der Jungfrau Maria als ein bräutliches Hochzeits-Mysterium; dabei bezieht er die Bräutigam-Sonne von Psalm 19,6 auf Christus im Kontext seiner Auslegung des Weinwunders auf der Hochzeit zu Kana: „Denn das Wort ist der Bräutigam und die Braut das menschliche Fleisch, und beides der eine Sohn Gottes und zugleich der Sohn des Menschen. Indem er das Haupt der Kirche wurde, war jener Schoß der Jungfrau Maria sein Brautgemach; und dort ging er hervor wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, wie die Schrift vorhergesagt hat: ‚Und gleich einem Bräutigam, der hervorgeht aus seiner Kammer, frohlockt er, zu laufen wie ein Held seinen Weg.‘ Aus dem Brautgemach ging er hervor wie ein Bräutigam und kam eingeladen zur Hochzeit“ (Vorträge über das Evangelium des hl. Johannes, Bd. 1, 1913, 139). In den alten Kulturen sind Sonne und Mond (Sol und Luna) die kosmischen Repräsentanten des männlichen und des weiblichen Prinzips, so auch im alten China mit Yang und Yin. Nach dem Sinologen Frank Fiedeler (1939–2004) hängt das weibliche Yin-Prinzip auch eng mit der Sexualität zusammen. Danach konstituiert das weibliche Yin als Essenz der weiblichen ‚Möndin‘ die Sexualität des Körpers, wie auch nach Parmenides die ‚Mondgöttin Daimon‘ als ‚ersten der Götter‘ den Eros ersonnen hat (Yin und Yang oder: Die Absolute Polarität (Taiji), in: Peter C. Mayer-Tasch [Hg.], Die Zeichen der Natur, 1998, 221). Die Schlange wiederum symbolisiert in China als „das heimtückischste Tier“ den „tiefsten Yin-Geist“ an der Nahtstelle zwischen den zwei Jahreshälften (Hu Hsiang-fan, China – Land zwischen Himmel und Erde, 2008, 28). Paulus versteht die Kirche (von Korinth) als ‚neue Eva‘ und warnt sie gleichzeitig vor der Täuschung durch die Paradiesschlange: „Ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen. Ich fürchte aber, wie die Schlange einst durch ihre Falschheit Eva täuschte, könntet auch ihr in euren Gedanken von der aufrichtigen und reinen Hingabe an Christus abkommen“ (2 Kor 11,2f). Eva, chawah, 8-6-5 = 19, wird von Gott Adams ‚Rippe‘, zela, 90-30-70 = 190, ‚gebaut‘ (Gen 2,21f). Der Metonische Luni-solarzyklus der Angleichung von Sonnen- und Mondjahr dauert 19 Jahre. Luna ist der „Urgrund aller Geburt“ (Joh. Lydos) und des Todes, die neue Eva Maria als Urbild der Kirche steht auf dem Prinzip ‚Schlange‘ (Offb 12,1f): Sie ist der ‚Urgrund‘ der neuen Wiedergeburt in der Taufe.

 

 

Warum ähneln sich Chanukka und Weihnachten?

Bild: Das acht Tage lang gefeierte jüdische Lichterfest Chanukka, am 25. Kislew fiel im Jahr 2024 mit dem Weihnachtsfest am 25. Dezember zusammen, das ebenfalls acht Tage bis zur Oktav am 1. Januar (Hochfest der Gottesmutter Maria und Beschneidung des Herrn) dauert. Israel feiert mit dem Fest Chanukka seine Hoffnung, dass es auch nach Unterdrückung und Zerstörung letztlich doch kein tragisches Ende nimmt – auch wenn der wieder aufgebaute und eingeweihte Zweite Tempel gut 230 Jahre nach der Entweihung erneut im Jahr 70 n. Chr. (von den Römern) zerstört wurde; Rabbiner Julian-Chaim Soussan sagt: „Das eigentliche Wunder von Chanukka … besteht darin, dass wir überhaupt heute noch überall auf der Welt Chanukka feiern, dass wir nicht aufgeben“ (Interview Orthodoxer Rabbiner schöpft Hoffnung aus Chanukka, Domradio, 24. Nov. 2021). Titusbogen mit siebenarmiger Menorah, Rom.


Walter Homolka erklärte zu Chanukka: „Wir Juden warten in der Adventszeit auf nichts und niemanden, nicht auf das Weihnachtsfest und nicht auf eine mögliche Wiederkunft Jesu. Und doch verbindet uns gerade in der dunklen Jahreszeit die Sehnsucht nach Licht und Wärme“ (katholisch.de, 10. Dez. 2020). In den acht Tagen von Chanukka wird jeden Tag ein neues Licht auf dem acht-armigen Leuchter entzündet. Die ‚Acht‘, schmonah, 300-40-50-5, hat denselben Wortstamm wie ‚Salböl‘, schemen, 300-40-40, als Symbol des Geistes Gottes. Das Judentum feiert mit Chanukka ein Ölwunder bei der Wiedereinweihung des Tempels in Jerusalem im Jahr 164 v. Chr, den die hellenistischen Eroberer (assyrische Hellenisten) entweiht hatten, indem sie dort eine Zeus-Statue aufstellten und die jüdische Religionsausübung verboten: Alle Öle für den Leuchter waren daher unrein bis auf „ein einziges mit dem Siegel des Hohenpriesters versehenes Krüglein mit Öl, das nur so viel enthielt, um einen Tag zu brennen. Aber es geschah ein Wunder, und es brannte davon acht Tage“ (Talmud). So konnte Gott wieder neu in der Welt (im Tempel) einwohnen- Das aber ist gerade auch der Sinn des Weihnachtsfestes; Friedrich Weinreb schreibt: „Die Geschichte [des Ölwunders] will unter anderem sagen, dass dieses besondere Öl, welches das Licht im Tempel spendet, die Eigenschaft hat, die Natur zu durchbrechen, sobald man den Tempel wieder vom Götzendienst reinigt und sobald man beginnt, neues Öl zu bereiten. Dann wird dieses Öl sieben Tage hindurch bis in den achten Tag leuchten. Dann kann die neue Welt mit dem neuen Öl beginnen, als Licht für den Tempel zu dienen – dem Tempel … als Wesen dieser Welt. Das Geschlecht, das die Initiative bei den Erneuerungsmaßnahmen ergriff, … war das Geschlecht der Hasmonäer. (…) Und der Name Chaschmonaim – also die ‚Hasmonäer‘ – hat wieder die Acht als Stamm“ (Schöpfung im Wort, ³2012, 239f). Den Bezug zum Salböl des Messias-Bräutigams hat auch der achte der zwölf Söhne Jakobs, Ascher: „Von Ascher kommt das Öl für diese Salbung“ (237). Im Segen des Moses heißt es von Ascher: „In Öl bade er seinen Fuß“ (Dtn 33,24). Wegen dieses engen sprachlichen Bezugs zwischen Salböl und Acht ist der Geist-Gesalbte nach Weinreb der „König des achten Tages“ (245), das heißt des Sonntags der Auferstehung in der kommenden Welt.

 

Warum kommt Jesus als ewiges Wort jungfräulich zur Welt?

Bild: Die Fleischwerdung des ewigen Wortes aus Maria wird dargestellt durch die „mystische Einhorn-Jagd“: Gabriel bläst ins Jägerhorn, die Jagdhunde treiben das weiße oder goldene (lichtvolle) Einhorn in den reinen Schoß der Jungfrau. Als neue Eva ist Maria im Glauben voll der Gnade (Lk 1,30.38.45); ihr Sohn erhält den Namen Jesus = JHWH rettet (V.32), denn er versöhnt und eint die Erde mit dem Himmel (Kol 1,20; Lk 2,11). So steht sie nicht mehr unter dem ‚Fluch‘ aufgrund des Sündenfalls durch die ‚Schlange‘ (Trieb-natur; Gen 3,14-17). Einhorn-Jagd, Dom zu Erfurt.


Nach der jüdischen Tradition wird die Welt im sechsten Monat Elul im Tierkreiszeichen Jungfrau erschaffen. Der Mensch Adam kommt als letztes, Himmel und Erde zusammenfassendes achtes Werk am 1. Tag (Freitag) des siebten Monats Tischri, dem Neujahrstag Rosch ha-schana, an dem das Leben durch das Widderhorn (schofar) eingeblasen und später auch Isaak auf ‚übernatürliche‘ Weise von der ‚90-jährigen‘ Sarah geboren wird. Bei seiner ‚Bindung‘ (Opferung) auf dem späteren Tempelberg Mori-jah (Gen 22,2; 2 Chr 3,1) mit 37 Jahren wird er durch einen Widder ersetzt (Gen 22,13). Gott erschafft Adam durch den Anhauch seines Geistes oder Atems, neschem, aus der ‚jungfräulichen‘ Erde (Adama); so ist er vom Himmel und der Erde zugleich (Gen 2,7). Mit der Gabe der Geistseele, neschama, haucht Gott ihm auch sein Wort ein; Friedrich Weinreb schreibt: „Der Unterschied zwischen der ‚neschama‘ und allem anderen wird in der Tatsache gesehen, dass der Mensch mit Gottes Atem das Wort eingeblasen erhält, das Wort Gottes. Mit dem Wort im Menschen ist Gott im Menschen“ (Leiblichkeit, 1987, 29). Neschama hat zu tun mit schem, ‚Name‘ „im Sinne der Potenz, alles benennen zu können [vgl. Gen 2,19f]. Jede Sprache benennt auf ihre Weise alles in der Welt, alles aus dem Denken, Träumen, Hoffen und Lieben. So nennt man im Judentum Gott einfach ‚ha-schem‘, ‚den Namen‘. Denn Gott enthält alles in jeder nur möglichen Hinsicht“ (37). Adam steigt auf die ‚jungfräuliche‘ Erde (Adama) durch die drei oberen Welten oder Welt-Elemente Ruach (Geist), Esch (Feuer) und Majim (Wasser) hinab; die Anfangsbuchstaben ergeben das Wort Reem, ‚Einhorn‘ (Num 23,22; Ijob 39,9f; Ps 22,22; LXX monókeros, Vetus Latina unicornis). ‚Einhorn‘, Reem, bedeutet nach Weinreb „das Wesen, das bei der Schöpfung als erstes Landtier geschaffen wird und eigentlich alle Landtiere repräsentiert. Für die Wassergeschöpfe ist das der Leviathan. (…) Es wird erzählt, dass es einen beständigen Kampf zwischen dem Reem und dem Leviathan gibt. Der Reem versucht, den Leviathan mit seinem Horn niederzustoßen, der Leviathan versucht, mit Flossen und Schwanz den Reem zu vernichten. (…) Das Wort ‚reem‘ drückt aus, dass die drei Elemente, die dem Materie-Element [‚Staub‘, aphar, Erde] vorausgehen, ein Wesen sind. Davon wird im Midrasch erzählt: Wenn Adam, der erste Mensch, ein Opfer bringt, dann ist sein ‚korban‘ [Opfer] der Reem; das heißt, was Adam Gott näherbringt, sind die drei Welten. Denn Adam im Paradieszustand ist noch nicht in der vierten Welt“ (Der Weg durch den Tempel, 2000, 262).

 

 

Warum erinnert Notre-Dame an Sehnsucht des Menschen?

Bild: Millionen Menschen nahmen beim Dachstuhl-Brand der Kathedrale Notre-Dame von Paris am 15. April 2019 wie auch der Rettung des Bauwerks aus dem 12./13. Jahrhundert in den fast sechs Jahren danach emotional großen Anteil, auch Menschen, die mit dem katholischen Glauben nichts verbindet. Die so überaus kunstvollen gotischen Kathedralen verweisen mehr als andere Kirchen auf die göttliche Transzendenz und sprechen damit eine heute oft verborgene oder verdrängte Sehnsucht des Menschen an, es möge doch etwas Heiliges und Rettendes über dem Menschen geben, eine ‚vertikale‘ Dimension, die bei aller Beschäftigung mit der nur noch ‚horizontalen‘ Alltagskultur der Gegenwart unterzugehen droht. Kathedrale Notre-Dame von Chartres, illuminiert mit Adam und Eva und dem Paradiesbaum.


Auch wenn die am 8. Dezember wiedereröffnete Kathedrale Notre-Dame von Paris irgendwie für das alte identitätsstiftende Zentrum der französischen Nation und Kultur steht und die Erzdiözese von Paris das alleinige Verfügungsrecht über die Nutzung der Kirche hat (seit 1991 Weltkulturerbe), so darf doch nicht übersehen werden, dass nur noch eine Minderheit in Frankreich sich dem Katholizismus zugehörig fühlt. Die Kathedrale ist Maria geweiht, der 8. Dezember ist das Hochfest ihrer ‚unbefleckten‘ Empfängnis durch ihre Mutter Anna, wodurch sie von Anfang an vor der ‚Erbsünde‘ bewahrt ist, die auf den ‚Sündenfall‘ von Adam und Eva zurückgeht (Röm 5,12; Gen 3,1-19). Maria ist daher als Urbild der Kirche und wie diese selbst (vgl. 2 Kor 11,2f) die neue Eva, die paradiesische Frau ohne jeden ‚Makel‘ der Sünde, der Abkehr von Gott, des inneren Widerstands gegen die göttliche Gnade, von der sie ganz erfüllt ist (Lk 1,28) – so sehr, dass die mit Johannes (dem Täufer) schwangere Verwandte Elisabeth rufen kann: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,42-45). Diese Seligpreisung gilt Maria (al neuer Bundeslade) und mit ihr den Gläubigen, die im Wasser und Geist der Taufe wiedergeboren sind – in der ‚Nachfolge‘ der Jungfrauengeburt als Urbild der Taufgeburt: Gott, so sagt Kardinal Jean Daniélou, führt „die großen Heilstaten des Alten wie des Neuen Bundes in der gegenwärtigen Periode der Heilsgeschichte in den Sakramenten weiter und bildet in ihnen zugleich die endzeitliche Erfüllung voraus“ (Liturgie und Bibel, 1963, 225). Wie der Erzengel Gabriel („Gottes Stärke“) der 90-jährigen Sarah Isaaks Geburt verheißt (Gen 18,14: „Ist beim Herrn etwas unmöglich?“), so auch der Jungfrau Maria: „Denn für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,37). Das scheinbar Unmögliche wird im Glauben „wirklich“, was weit über jede denkbare „Wirklichkeit“ hinausgeht. Denn die getauften Gläubigen sind nicht weniger als „eine neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17). Auch mit dem Wiederaufbau von Notre-Dame de Paris wurde durch Ingenieurskunst und Fleiß zahlloser Mitarbeiter etwas schier Unmögliches erreicht, aber die Kathedrale als steingewordenes Zeugnis der heiligende Gnade geht unendlich darüber hinaus.

 

 


Warum ist Jesu Königtum am Kreuz mit dem Aleph-Beth verbunden?

Bild: Bei der Generation Z gibt es den neuen Dating-Trend „Throning“:  Man lässt sich mit einer anderen Person, die allgemein Ansehen hat, in der Öffentlichkeit sehen, um so selbst bewundert, sozial anerkannt und damit gleichsam auf einen Thron erhoben zu werden. Man stellt seine Bekanntschaft zur Schau, aber eine wirkliche ‚Inthronisierung‘ findet nicht statt. Könige (und früher auch Bischöfe) werden feierlich inthronisiert; in der Geheimen Offenbarung werden die Gläubigen „zu Königen gemacht und zu Priester vor Gott, seinem Vater“, durch den, der „das Alpha und das Omega“ ist, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,6.8). „Wer siegt, der darf mit mir auf meinem Thron sitzen“ (Offb 3,21), sagt Jesus, der seinen ‚Sieg‘ über die ‚Welt‘ auf dem ‚Thron des Kreuzes‘ errungen hat.  Jesus ist der König der ‚Wahrheit‘ (Joh 18,37), aber in dieser gefallenen, ins Böse ‚verkehrten‘ Welt kann er sich nur im Gegenteil offenbaren auf dem ‚Kreuzes-Thron‘ der Schande, des ‚letzten Platzes‘ von allen. Altarkreuz, Dom zu Speyer.


Jesus kommt als rettende Wahrheit in die ‚Welt‘, die unter der Herrschaft des ‚Teufels‘ steht, des „Vaters der Lüge“, und so ‚finster‘ ist und ‚böse‘ (Joh 1,5; 3,19f; 8,44; 12,31; 2 Kor 4,4). In der Kabbala ist der letzte Buchstabe das ursprüngliche kreuzförmige Taw mit dem Zahlenwert 400 als Ausdruck der Materie, der Welt des Leidens und des Todes auf der untersten ‚Stufe‘ des Seins in der Nähe zum Nichts. Aufgabe des Gerechten ist es, das Taw wieder mit Aleph (= Eins), dem ersten Buchstaben und ‚ersten Platz‘ (Gottes), zu verbinden, das heißt, die Erde mit dem Himmel, die Materie mit dem Geist, wobei die Welt um des einen Gerechten (als Urfundament) willen besteht: „Der Gerechte ist fest gegründet für immer“ (Spr 10,25); das heißt: „Der Gerechte ist der Grund der Welt“ (G. Scholem, Von der mystischen Gestalt der Gottheit, 1973, 90). Umgekehrt gilt nach Nachum von Tschernobyl: „Die Taten des Bösen bringen die Welt zu Fall und sondern sie von Gott als dem Aleph der Welt ab, so dass sie die göttlichen Buchstaben der Welt auseinanderreißen und das Letzte vom Ersten getrennt wird. Aber durch die Verbindung und Einheit des Gerechten mit allen Stufen [der Schöpfung] erhebt sich die Welt aus ihrem Fall nach oben und steigt auf und vereinigt sich im Stand des Aleph, das heißt Gottes, und dadurch, dass das Fundament sich hebt, hebt sich der ganze Bau. Deswegen werden die Tora-Gelehrten auch Bauleute genannt, weil sie das ganze Gebäude der Welt aufrichten und erhalten“ (zit. ebd., 130). Jesus wird von den „Bauleuten“ verworfen, ist aber so gerade der „Eckstein“ (Ps 118,22; 1 Petr 2,7) für den Neubau der Schöpfung, in der „die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). Der ‚eine‘ Gerechte bedeutet in der jüdischen Mystik nicht numerisch eins, sondern „weil jeder Gerechte sich mit allen anderen als ein Ganzes denken soll, spricht der Talmud von einem Gerechten“ (zit. ebd.). Andererseits wird der Gerechte „Einer genannt, der Einheit wegen, mit der er sich mit allen Stufen von der Erde bis zum Himmel vereint, das heißt vom Ende aller Stufen, die die irdische Stofflichkeit sind und dem letzten Buchstaben Taw entsprechen, bis zum Himmel, der die oberste Stufe ist und dem Aleph entspricht“ (zit. ebd.). Der König am Kreuz macht durch sein „Blut des Bundes … zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28) alle im Glauben und in der Liebe ‚eins‘ und gerecht (vgl. Gal 3,27f; Joh 17,21).

 

 

Warum sind die Heiligen gekleidet in weißen Gewändern?

Bild: Am 1. Nov. feiert die kath. Kirche Allerheiligen Lesungstexte sind die acht Seligpreisungen (Mt 5,3-10 sowie die Vision des Johannes von den Erlösten: Sie stehen „in weißen Gewändern vor dem Thron und vor dem Lamm“, tragen grüne „Palmzweige“ und rufen: „Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm“ (Offb 7,9f). Augustinus sagt: „Gott hat uns erschaffen ohne uns, er wollte uns aber nicht retten ohne uns“ (vgl. KKK 1847). Luther hat die Heiligenverehrung abgeschafft, weil der Mensch mit der „Gnade allein“ nicht mitwirkt; die Heiligen aber sind gerade ausgezeichnet durch einen ‚heroischen Tugendgrad‘. Zug der Heiligen (Ausschnitt), Ravenna, St. Apollinare Nuovo.


Der dunkle Norden ist biblisch die Himmelsrichtung des Roten (vgl. Esau = Edom; Gen 25,25) und des Körpers; der aus ‚roter Erde‘ (Adama) geformte Adam „kann mit Recht auch ‚der Rote‘ genannt werden. Mit dem Adam als Adom [= rot] fängt es an. Ist aber das Blut, das dam, nicht ebenfalls rot?“ (Friedrich Weinreb, Buchstaben des Lebens, ²1990, 19). Nach Jes 1,18 ist das Rot charakteristisch für die Sünden („rot wie Scharlach“; „rot wie Purpur“); doch sollen sie in der Rückkehr zur Unschuld „weißer werden als Schnee“ (Ps 51,9; Jes 1,18) oder „weiß wie Wolle“ (Offb 1,14) – weiß gemacht im Blut des Lammes Gottes (Offb 7,14). In Num 19,2 symbolisiert die „rote Kuh“, phar (vgl. Pharao) die irdische Fruchtbarkeit (vgl. Friedrich Weinreb, Der biblische Kalender, 1984, 63; 67). Sexualität bringt sicher „Farbe und Saft in unser Leben“ (Wunibald Müller); aber erst durch ihre spirituelle Überformung in der Grünkraft des spiritus sanctus, symbolisiert im „grünen Holz“ (Lk 23,31) des Kreuzes als neuem Baum des Lebens, kommt die Menschheit auch auf einen grünen Zweig. Nach Josef Gikatilla ist das Grün in der Natur so zentral, „weil es die Auswirkung der Sefira der Gnade, Hessed, der ungehemmt sich verströmenden, spendenden Kraft der Gottheit in der sichtbaren Schöpfung darstellt. Nicht weiß, sondern grün ist ‚das Gewand der Erde‘.“ Während das rote Feuer des Gerichts vernichtet, bestehen „alle Dinge durch das Grün“ (Gershom Scholem, Farben und ihre Symbolik, in: Eranos-Jahrbuch 1972, 1974, 1-49, 42f). Das ‚Weiß‘, laban, als Fülle des Lichts steht im Süden, der Süden auch „die Richtung unseres Hauptes (ist) und von dem, was darüber ist; der Norden ist „die Richtung unserer Füße, der Erde und dessen, was darunter ist“ (Buchstaben, 20). Wie der jenseitige ‚achte Tag‘ die Sieben-Tage-Schöpfung übersteigt, so fasst das Weiß nach den sieben Farben des Spektrums als ‚achte Farbe‘ „alle Farben zusammen“ (Weinreb, Das Opfer in der Bibel, 454). „Weil die Thora eine Einheit ist, ist die Farbe der Thora das Weiß. Man bekleidet darum die Stelle, wo die Thora steht, am Tag der Thoralesung auch mit einem weißen Vorhang. (…) Die Farbe des Menschen am sechsten Tag, an dem die Begegnung [mit der roten Schlange, Offb 12,3] stattfindet, muss also Weiß sein“ (454f). Gemeint ist das Weiß vom pflanzenartigen Gewand aus Leinen oder Flachs, schesch, 300-300: „‘Schesch‘ ist ‚Sechs‘, Leinen heißt also ‚Sechs‘. (…) Das Leinen, ‚schesch‘, hat die besondere Eigenschaft, dass es weiß ist, weiß gemacht werden kann. Es wird im ‚mischkan‘ [Heiligtum] als Kleidung benützt, um den Menschen weiß zu machen“ (453).

 

 

Warum sieht man nur mit reinem Herzen gut und schaut Gott?

Bild: Joseph Ratzinger sagt: „Wo der Schleier vom Herzen fällt, kommt das Eigentliche und Endgültige des Gesetzes zum Vorschein; es wird selbst Geist und wird so mit der neuen Ordnung des Lebens aus dem Geist identisch“ (Der Neue Bund, in: IKaZ 24 [1995] 193-208, 196). Durch den Glauben wohnt Christus im erleuchteten Herzen und vermittelt die Erkenntnis seiner Liebe, „die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt“ (Eph 1,18; 3,17-19). Letztes Ziel aller irdischen Pilgerschaft ist, mit einem durch „Leiden geläuterten reinen Herzen den ewigen Gott unverhüllt zu schauen so wie Hiob nach seiner „Meditation“ des Todes (vgl. Ijob 41,5f) und so durch den Geist Gottes in Jesu Bild verwandelt zu werden von „Herrlichkeit zu Herrlichkeit“ (2 Kor 3,18). Dann erfüllt sich, was jetzt „kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz (cardia) aufgestiegen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Jesus präsentiert den Gläubigen sein durchbohrtes, mit Dornen gekröntes, vor Liebe zu Gott und Menschen  brennendes Herz: Münster Unserer Lieben Frau, Konstanz.


Für das Bundesvolk Israel gilt: Es soll „den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft. Diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen“ (Dtn 6,5f). Das Herz ist so der Ursprungsort des wahren, ungeteilten Gottesdienstes (Dtn 10,12; 11,13; 1 Chr 28,9), der wahren Gottesverehrung in der Nachfolge des Herrn (1 Sam 12,20) sowie des Gottvertrauens (Spr 3,5). Der Psalmist bittet Gott in einem Bußpsalm: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist“ (Ps 51,12; Heiligkeit und Nacktheit). Gott legt König Salomo seine →Weisheit ins Herz (1 Kön 10,24). Denn das ‚verdorbene‘ menschliche Fleisch führt dazu, „dass alles Sinnen und Trachten des Herzens immer nur böse war“, so dass es Gott reute, den Menschen überhaupt geschaffen zu haben und es „seinem Herzen weh“ tat (Gen 6,5f; vgl. Mk 7,21-23). Der Mensch muss deshalb immer neu „mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele“ Gott suchen (Dtn 4,29) und nicht nur sein Fleisch beschneiden, sondern durch den Geist Gottes auch sein Herz (Dtn 30,6). Gott gießt seinen Geist in die Herzen, mehr noch: er schenkt ein „neues Herz“, in das er einen „neuen Geist“ legt und so bewirkt, „dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,25-27). „Dann wird man sagen, dieses verödete Land ist wie der Garten Eden geworden“ (V.35). Den Garten Eden verliert der Mensch, weil sein Herz auf das Lügenwort der Schlange statt auf Gottes Stimme hört. So wendet es sich von Gott ab und der Welt zu und bringt nur „Dornen und Disteln“ (Gen 3,18) hervor, aber nicht die vom Schöpfer gewollte Fruchtbarkeit der Gerechtigkeit. Der so zum „Tor“ gewordene Mensch spricht dann in seinem Herzen: „Es gibt keinen Gott“ (Ps 14,1). Deshalb reicht nicht, wenn A. de Saint-Exupéry (Der Kleine Prinz) sagt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Richtiger wäre: mit einem durch Glauben und Liebe gereinigten Herzen; denn ein ‚verstocktes‘ Herz hat „keine Augen um zu sehen und keine Ohren um zu hören“ (Dtn 29,4), ein reines Herz aber schaut Gott (Mt 5,6). Für das ‚verfinsterte‘ Denken und ‚verhärtete‘ Herz ist das wahre Licht des Wortes Gottes „verhüllt“: „Sobald sich aber einer dem Herrn zuwendet, wird die Hülle entfernt. Der Herr aber ist der Geist, und wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,14-17).

 

 

Warum kehrt das Trinken von der Mutterbrust den Sündenfall um?

Bild: Jesus trinkt, schon das Kreuz der Erlösung vom Sündenfall im Arm, als Säugling die Milch von der Brust seiner Mutter Maria. Im Hintergrund ist der Sündenfall zu sehen: Der Engel mit dem Flammenschwert vertreibt Adam und Eva aus dem Garten Erden (= Lust, Wonne), nachdem sie von der verbotenen Frucht des Baumes der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen haben. Die Eucharistie als Frucht vom Kreuz als neuem Baum des Lebens kehrt das Sündenfallessen um: Es bringt nicht Tod, sondern ewiges Leben in Gemeinschaft mit dem dreieinen Gott. Der Lebensbaum steht für die Einheit des Himmels, den Logos oder die Thora im geistigen Sinn, der Erkenntnisbaum von Gut und Böse für die Zweiheit und Zwiespätigkeit alles Irdischen, die Endlichkeit und Gegensätzlichkeit von Geist und Materie. St. Petersburg, Eremitage, Juan de Juanes, 16. Jahrhundert.


Das hochzeitliche Ja-Wort Mariens im Glauben hat zur Folge, dass die himmlischen Engel auf den Fluren von Bethlehem allen Menschen, die guten Willens sind, den Frieden Gottes verkünden (Lk 2,14); denn sie hören die Botschaft: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,11). Beth-lehem ist das ‚Haus des Brotes‘, die Eucharistie ist „der Engel Speise“ (GL 878.5), das „Himmelsbrot“, „das unsre Seele nährt“ (GL 495.1), das für Elija durch die „glühende Asche“ zum Brot der Gnade wird (1 Kon 9,5-8). Gott ernährt nach dem Exodus sein Volk in der Wüste „mit der Speise der Engel, und unermüdlich gabst du ihm fertiges Brot vom Himmel“ (Weish 16,20), um es ‚engelähnlich‘ werden zu lassen. Einen Bezug zum Manna als Nahrung vom Himmel hat auch die Muttermilch aus den ‚Brüsten‘ der Frau, denn – so Friedrich Weinreb – ‚Brüste‘ ist hebräisch „schadajim, 300-4-10-40, und Himmel ist schamajim, 300-40-10-40. Beides ist also sehr eng verwandt. Aus der Daleth, 4, wird die Mem, 40: die Brüste und die Nahrung aus den Brüsten, die auf besondere Weise entsteht, enthält noch nicht den Geschmack der Erde, noch nicht das Gift suhamah, 7-6-5-40-5, der Schlange, das von der Erde kommt. Diese Speise steht noch im Gegensatz zur Nahrung, die der Mensch der Erde zu sich nimmt, womit er sich vergiftet und die Zweiheit in ihn gelangt. Doch das Kind ist, solange es Muttermilch trinkt, noch nicht von der Erde vergiftet und hat den Baum der Erkenntnis noch nicht oder kaum geprüft und steht somit seiner Vorgeschichte noch sehr nahe“ (Die zwölf Stämme, 2024, 131). Die ‚Vorgeschichte‘ ist „die Geschichte, wie die neschamah, die unsterbliche Seele, des Menschen geboren wird. Der Engel unterrichtet sie in der ganzen Thora, der ganzen Bibel, ehe sie hier erscheint. Sie hat schon alles miterlebt und trägt die ganze Bibel in sich, wenn sie hierherkommt“ (207). „Sie weiß dann alles, und kennt die Thora so, wie sie im Himmel ausgedruckt ist. Jetzt aber kommt die neschamah hierher: Das Kind bekommt einen Stuber unter der Nase und vergisst alles“ (130). Weil die ‚Säuglinge‘, thinokoth, noch dem Himmel, dem Ursprung nahe sind, heißt es in der jüdischen Überlieferung: „Durch die Säuglinge im Lehrhaus besteht die Welt“ (zit. ebd.).

 

Warum kennt und erfüllt Jesus den Willen des Vaters im Himmel?

Bild: Jesus tut den Willen Gottes vollkommen, wie der Hebräerbrief mit Psalm 40,7-9 sagt: „Darum spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: Ja, ich komme – so steht es über mich in der Schriftrolle – um deinen Willen, Gott, zu tun. (…) Aufgrund dieses Willens sind wir durch die Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt“ (Hebr 10,5-7.10). „Durch ein einziges Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer zur Vollendung geführt“ (V.14). Jesus ringt mit dem Willen des Vaters, St. Antonius-Kirche, Kortrijk, Flandern.


Jesus wird von seinen jüdischen ‚Brüdern‘ vor Gericht angeklagt, das Gesetz als Ausdruck des Willens Gottes übertreten zu haben, „weil er sich als Sohn Gottes ausgegeben hat“ (Joh 19,7) und so Gott gelästert hat (Mt 26,65). Als der Logos und Sohn Gottes steht er aber nicht im Widerspruch zum Willen des Vaters, sondern erfüllt diesen bis zur Vollendung: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4,34). Wo Petrus Jesus von seiner Passion als Erfüllung des Willens Gottes abbringen will, muss er hören: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23). Jesus hingegen besteht gleich am Anfang seines öffentlichen Wirkens die Versuchung des Teufels, den Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes aufzugeben (Mt 4,1-11). Dabei ist es der Geist Gottes, der ihm diesen Willen vergegenwärtigt (Mk 1,12) und der auf ihm als dem ‚Geist-Gesalbten‘ oder Messias ruht (Lk 4,18; Jes 61,1). Am Ende muss er im Garten Getsemani noch einmal die Versuchung bestehen: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch [des Leidens] an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39). Bei dem Auftrag zur Opferung Isaaks erprobt Gott die Gottesfurcht Abrahams (Gen 22,1.13) und schenkt ihm für seinen ‚Gehorsam‘ Segen und Nachkommenschaft in Fülle (Gen 22,18). Gottes Wille zielt dabei nicht auf möglichst viele Nachkommen im irdischen Sinn – Isaak wird „kraft des Geistes gezeugt“ (Gal 4,28f) –, sondern auf „Erben kraft der Verheißung“ (Gal 3,29). „Nicht die Kinder des Fleisches sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung werden als Nachkommen anerkannt“ (Röm 9,8; mit Bezug auf Gen 18,10). Entsprechend erfüllt auch Jesus den Willen Gottes nicht dadurch, dass er auf irdische Weise Kinder zeugt, sondern indem er am Kreuz seinen Geist ‚überliefert‘ (Joh 19,30) und so den Gläubigen die „Macht“ gibt, „Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12f). Der Wille des Fleisches und der Wille des Mannes entsprechen nicht dem Willen Gottes, sondern laufen ihm wie die Welt insgesamt, die „unter der Macht des Bösen steht“ (1 Joh 5,19), zuwider: „Die Welt und ihre Begierde vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (2,17).

 

Warum stirbt Mose vor Einzug in das Gelobte Land mit 120 Jahren?

Bild: Mit dem Tod des Moses nach der 40-jährigen Wüstenwanderung an der Grenze zum verheißenen Gelobten Land endet die Kern-Geschichte der Bibel (die fünf Bücher Mose) in Trauer, aber nach Friedrich Weinreb zugleich „mit der Aussicht auf das, was Josua, der Sohn des Nun, tun würde. (…) Sein Erscheinen bereits an diesem siebten Tag [= Wüstenwanderung] verleiht der kommenden Verwirklichung des achten Tages, der neuen Welt, die Realität. Aber dieser achte Tag kann nicht mit den Maßstäben dieser Welt gemessen werden, die nur bis zur 4 reichen. Darum kann der achte Tag hier nicht zur Realität werden, die der siebte Tag darstellt“ (Schöpfung im Wort, ³2012, 228f). Der jenseitige ‚achte Tag‘ (Sonntag) der Auferstehung als Symbol der kommenden Welt des Reiches Gottes wird erst Realität mit dem Kommen des Messias Jesus (Jehoschua), was „JHWH rettet“ bedeutet. Moses empfängt die Zehn Gebote auf den zwei Tafeln: 5 + 5; sie stehen für Gottesliebe und Nächstenliebe, die wiederum eins sind. Das erste Wort in Ex 20,2 beginnt deshalb mit einem Aleph (Anochi = Ich), Eins, nicht wie die Schöpfung mit Beth (Zwei). Axum, Äthiopien.


Für die heutige Biologie ist das Maximalalter des Menschen 120 Jahre. Moses wird mit „80 Jahren“ von Gott beauftragt, das Volk Israel aus der ‚Knechtschaft‘ in Ägypten zu führen (Ex 7,7) und als Volk des Bundes „40 Jahre“ durch die Wüste zu geleiten hin zum Gelobten Land, ohne es selbst betreten zu dürfen; Gott gestattet ihm lediglich einen Blick vom Berg Nebo aus auf das Land Kanaan: „Denn ihr seid mir untreue gewesen inmitten der Israeliten beim Haderwasser von Kadesch in der Wüste Zin und habt mich inmitten der Israeliten nicht als den Heiligen geehrt“ (Dtn 32,49-51). Das Gelobte Land ist, so der Weltkatechismus, „ein Bild des ewigen Lebens“ (KKK 1222). Nach Weinreb hat ‚Ägypten‘, Mizrajim, 40-90-200-10-40, den Zahlenwert 380, Kanaan, 20-50-70-50, den Wert 190, das Verhältnis von 380 zu 190 ist 2 zu 1: „Die Wanderung von Ägypten nach Kanaan ist also der Weg von der Zwei zur Eins.“ Dasselbe Verhältnis drückt sich auch im Alter des Mose aus: 80 Jahre beim Auszug und 40 Jahre in der Wüste. „Mose als der Führer auf diesem Weg von der Zwei zur Eins hat also sogar in seiner Zeitstruktur dieses Verhältnis 2:1“ (Schöpfung im Wort, 226f). Mose stirbt mit „120 Jahren“ an der Grenze zum verheißenen Ziel: „Seine Augen waren noch nicht getrübt, seine Frische war noch nicht verschwunden. (…) Niemals wieder ist in Israel ein Prophet wie Mose aufgetreten“ (Dtn 34,7.10). Gott begrenzt die Lebenszeit des Menschen als „Fleisch“ auf „120 Jahre“ (3 x 40) wegen seiner Bosheit (Gen 6,3); zuvor wurden die Menschen noch bis zu 969 Jahre alt (Gen 5,27). Als Nachfolger des Moses führt erst Jehoschua (Josua) das Volk Israel ins Gelobte Land; er ist der „Sohn des Nun“ (Dtn 34,9), das heißt der ‚Fünfzig‘ (7 x 7 +1): Die Sieben-Tage-Schöpfung wird auf den ‚achten Tag‘ der Erlösung hin überschritten. „Die Wanderung durch die Wüste als der siebte Tag, als Zug von der ‚Zwei-Welt‘ mit ihrem Leiden zur ‚Eins-Welt mit ihrer Ruhe und Harmonie“, führt schließlich in „den neuen Tag, den achten. (…) Sogar Mose sah dieses ‚Gelobte Land‘, diese kommende Welt, nur von fern und betrat es in der Geschichte der Bibel, die diese Welt wiedergibt – diese Welt, die als höchste Zahl die 4, die 40 und die 400 hat –, noch nicht. Erst Josua als Sohn der 50, der nächsten Zahl also, erst er sollte dieses Land betreten. Doch in dieser Kern-Geschichte betritt auch er es noch nicht“ (228).

 

Warum ist die von Mose erhöhte Schlange aus Kupfer?

Bild: Die Kirche feiert das Fest „Kreuzerhöhung“ am 14. September (historisch aus Anlass des Wieder-auffindens des Kreuzes Jesu). Das Evangelium dazu ist Joh 3,13-17: Jesus setzt die Erhöhung der Schlange in der Wüste durch Mose mit seiner eigenen „Erhöhung“ am Kreuz gleich (V.14). In der Präfation heißt es: „Du (Gott) hast das Heil der Welt auf das Holz [hebr. ez = Baum] des Kreuzes gegründet. Vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben. Der Feind [Schlange = Teufel, vgl. Offb 12,9], der am Holz gesiegt hat, wurde auch am Holze besiegt durch unseren Herrn Jesus Christus.“ Die an der Signalstange erhöhte, in die Vertikale gebrachte Schlange ist als (heilige) Asklepios-Schlange bis heute das Symbol für Heilung durch Arzt oder Apotheker (wobei Asklepios und die Ärzte gegen den Tod auch kein Kraut haben). Chorfenster in St. Peter, Todtnau (Schwarzwald): Hand Gottes, Paradiesbaum mit Schlange, Adam und Eva, an der Seite bewirtet Abraham die drei ihn und Sarah besuchenden Engel (christlich: Bild der Dreifaltigkeit).


Nach dem Exodus aus Ägypten ‚murrt‘ das Volk auf seiner 40-jährigen Wüstenwanderung wegen der Entbehrungen gegen den ‚Erlöser‘ Mose, der es aus der ‚Knechtschaft‘ (der Sünde) befreit hat: „Da schickte der Herr Giftschlangen unter das Volk. Sie bissen die Menschen und viele Israeliten starben“ (Num 21,6). Die Rettung bringt das Schauen auf eine Schlange aus ‚Kupfer‘, die Mose an einer Fahnenstange aufhängt: „Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben“ (V.9). ‚Schlange‘, nachasch, hat den gleichen Wortstamm wie ‚Kupfer‘, neschoscheth, das Metall der Venus, der Göttin der irdischen Liebe und Fruchtbarkeit; Friedrich Weinreb schreibt: „Jetzt verstehen wir das Geschehen mit der Schlange am sechsten Tag [= Freitag, Venustag, franz. vendredi] im Paradies; aber auch den Verrat am Freitag, dem die Kreuzigung folgt. Und es fällt uns gleich die Schlange aus Kupfer ein, die, aufgerichtete, erhobene, die heilt (4. Mose 21,8 und 9)“ (Der siebenarmige Leuchter, 1985, 39). Erschaffung, Fall und Erlösung des Menschen durch Jesu Heilstod am Kreuz als neuem Baum des Lebens geschehen am ‚sechsten Schöpfungstag‘ (Freitag, Freyatag). Nach dem jüdischen Kalender handelt es sich dabei um den 1. Tag des Tischri, des ‚siebten Monats‘ (‚Sept-ember‘); Weinreb schreibt zu Num 21,8f: „Es kommt der Biss der Schlange, weil der Mensch ungeduldig ist und glaubt, der Weg, den er geht, sei ‚fade‘, weil er nach dem Reiz der Welt der Zweiheit verlangt, also nach Ägypten will, den Baum der Erkenntnis will. Sobald aber der Tod Einzug hält, sieht der Mensch, dass und warum sein Weg falsch war, und dann kehrt er zurück. Wieder begegnet er der Schlange, doch jetzt spendet sie Leben, jetzt bildet sie den Übergang von dieser Welt, wo wegen des Bisses der Schlange noch der Tod herrscht, zur kommenden, wo man gerade durch den Anblick der Schlange am Leben bleibt. Dort bildet also die Schlange den Übergang vom Tod zum Leben, dort ist der Wert ‚358‘ der Wert des Messias. Darum spricht die Bibel an dieser Stelle von der ‚feurigen Schlange‘, der Schlange aus Feuer, die das Ende kennzeichnet. Das Wort für ‚feurige Schlange‘ ist ‚saraph‘ … (Schöpfung im Wort, 708f). Entscheidend ist das Verhalten des Menschen gegenüber den „Kräften der Entwicklung. Dass sie ihn, wie der Erlöser, auch zum Leben führen, wenn er sich ihnen auf dem Weg über den Baum des Lebens nähert, der neben seiner Eigenschaft als ‚Baum, der Furcht ist‘ auch ‚Baum, der Frucht macht‘ ist“ (709), der also beides umfasst: Sein und Werden. So ist auch die Eucharistie als Frucht des Kreuzbaumes das In-Eins der Liebe von Gott und Mensch und zugleich die Speise auf dem Weg zu diesem Ziel.

 

Warum ist Maria voll „Wohlgeruch“?

Bild: Gregor von Nyssa versteht „ Christi Wohlgeruch“ (2 Kor 2,15) als Ausfluss der inneren Tugend: „Der göttliche Bräutigam durchströmt sein ganzes Leben mit dem Balsam seiner Tugenden, und dadurch wird auch das Leben des Paulus zu einem Wohlgeruch, den alle anderen einatmen dürfen“ (vgl. G. Ruhbach/ J. Sudbrack [Hg.], Große Mystiker, 1984, 17-35, 33). Nach Hildegard von Bingen zeigt Gott „über die Nase … die Weisheit, die als duftende Ordnung in allen Kunstwerken ruht“ (ebd.). Das größte Kunstwerk Gottes ist Maria als vom Geist Gottes überschattete Jungfrau, die „schon zur Vollkommenheit gelangt“ als „Urbild der Tugenden“ der „ganzen Gemeinschaft der Auserwählten“ voranleuchtet (Lumen gentium 65) – und vorausduftet; denn jeder Verwesungsgeruch ist von ihr genommen: „Das Paradiesgärtlein“ (1410; mit 24 duftenden Blumen); Städel Museum, Frankfurt/M.


Der Duft spielt vor allem als „Wohlgeruch für Gott“ beim Opferkult eine zentrale Rolle: Wohlgeruch, hebr. reach nichoach, 200-10-8 50-10-8-6-8 = 300, hat denselben Zahlenwert wie „Geist Gottes“, ruach elohim, 200-6-8 1-30-5-10-40 = 300. Gott haucht bei der Erschaffung des Menschen durch dessen Nase seinen Geist-Atem aus (Gen 2,7), um dann vom Menschen den beim wahren Opfer aufsteigenden Wohlgeruch einzuatmen (was beim Opfer Kains nicht der Fall ist: Gen 4,5). Dabei bringt der Hohepriester im Menschen das Opfer dar, das Ursprung und Endziel der Schöpfung zur Einheit verbindet: Feuer (esch, 1-300) und Wasser (majim), Geistseele und Leib, bilden zusammen den „Himmel“, schamajim (= esch-majim). Nach dem Talmud (Joma 39b) war der herrliche Geruch des „Räucherwerks“, Ketoret, im Tempel in ganz Jerusalem wahrnehmbar; das erlaubte den Bräuten der Stadt, auf eigenes Parfum zu verzichten. Gabriel Strenger sieht darin „eine Andeutung auf die mystische Verkettung der erotischen Liebe von Mann und Frau mit der spirituellen Liebe zwischen Mensch und Gott. In der Tat ist der Geruchssinn der subtilste unserer Sinne. (…) In der Kabbala wird ein ausgeprägter Geruchssinn mit mystischen Fähigkeiten in Verbindung gebracht“ (Jüdische Spiritualität in der Tora, 2016, 162). Das auf dem „inneren Altar“ zu verbrennende Räucherwerk „wird von der Tora als krönender Abschluss behandelt“, als „Krönung des Tempeldienstes“ (161). Der Weihrauch bestand aus elf Teilen, deren Zusammensetzung genau beachtet und zugleich streng geheim gehalten wurde. Laut Maimonides (Führer der Verirrten, 3:45) sollte der sich im Tempel ausbreitende Wohlgeruch auch „den schlechten Fleischgeruch der Tieropfer“ überdecken, „was dem Menschen mehr Ehrfurcht vor dem Heiligtum einflöße“ (zit. ebd. 162). Letztlich aber liegt der üble Todesgeruch auf der sterblichen Welt in der vergänglichen Zeit im Ganzen, wie ihn auch der „vier“ Tage im Grab liegenden tote Lazarus ausströmt (Joh 11,39f). Durch die Teilhabe am Messias Jesus, der „die Auferstehung und das Leben“ ist (V.25), wird er aber in Lebensduft verwandelt: Christus nimmt durch sein Heilswerk „der Schöpfung den Verwesungsgeruch“ (Bischof Georg Moser). Das sagt auch Paulus, wenn er die Wirkung seiner Heilsbotschaft vom „Duft der Erkenntnis Christi“ für die Gläubigen und die Ungläubigen beschreibt: „Denn wir sind Christi Wohlgeruch für Gott unter denen, die gerettet werden, wie unter denen, die verloren gehen. Den einen sind wir Todesgeruch, der Tod bringt, den anderen Lebensduft, der Leben verheißt“ (2 Kor 2,14-16).

 

Warum wird Maria zur „Königin des Alls“ gekrönt?

Bild: Das Hochfest „Mariä Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel“ am 15. August mündet in das Fest „Maria Königin“ am 22. August: „Durch ihre Aufnahme bei Gott ist Maria die Königin des Himmels und der Erde“ (Textbuch Gemeindemesse). Das II. Vatikanum nennt Maria die „Königin des Alls“ (Lumen gentium 59). Als „Bild Gottes“ ist der Mensch ursprünglich die Krone der Schöpfung, „mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ (Ps 8,6). Durch den Sündenfall ist er aber statt gottähnlich nur noch tierähnlich und sterblich (Gen 3,21). Was bleibt ist die Sehnsucht nach der (verlorenen) Krone, wie sie sich auch im Kampf um einen Olympiasieg zeigt. Das „Gold“ ist die Farbe der Sonne, Silber die Farbe von Luna; sie gilt als „Urgrund aller (natürlichen) Geburt“. Als Mutter der „Sonne der Gerechtigkeit“ (Mal 3,26) ist Maria mit dem Licht der Sonne ganz erfüllt und bekleidet, steht sie auf der Sichel des Mondes (Offb 12,1); so wird die verlorene Gottebenbildlichkeit wiederhergestellt (vgl. Eph 4,24). Marienfigur (1930 von Pius XI. geschenkt) im Mariendom zu Speyer.


Papst Paul VI. fasste 1968 das Glaubensgeheimnis von der Aufnahme Mariens in den Himmel  (Dogma seit 1950) so zusammen: „Verbunden in einer ganz innigen und unauflöslichen Weise mit dem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung, wurde die allerseligste Jungfrau, die unbefleckt Empfangene, am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen und – in Vorausnahme des künftigen Loses aller Gerechten – ihrem auferstandenen Sohne in der Verklärung angeglichen.“ Der Glaubenssatz wird damit aus dem Ganzen der Bezüge Marias zu den anderen christlichen Glaubensgeheimnissen als implizit darin enthalten erschlossen. Hinzu kommen die angedeuteten bildlichen Darstellungen des ‚Weiblichen‘ in der Bibel, womit letztlich die ganze geschaffene materielle Schöpfung gemeint ist, die „in Geburtswegen“ liegt (Röm 8,22). Kardinal Hermann Volk (Mainz) verwies nach der Dogmatisierung darauf, dass „die Erlösungsgnade nicht nur versöhnt, sondern auch heiligt und erhöht“ und „mit Christus ähnlich macht“. „Heiligenverehrung ist eine Form, die Fruchtbarkeit der Erlösungstat Christi anzuerkennen; nach dem Magnificat meint auch die Schrift, dass dies in irgendeiner Form möglich und auch Aufgabe sei“ (vgl. Lk 1,48f). Der evangelischen Erlösungslehre lägen dagegen „andere Vorstellungen von der Erlösungsfrucht, von der Weise, wie Gott mit seinen Geschöpfen und Erlösten umgeht, von dem Begriff der Ehre Gottes zugrunde“ (Das neue Marien-Dogma, ³1956, 131; 133). Das schönste Marienlob in der alten Kirche ist der Hymnos Akathistos. Nach Michael Schneider ist die „antinomische Sprechweise … Ausdruck der letzten Unaussprechlichkeit Gottes“ (Hymnos Akathistos, 2004, 33). „In der Menschwerdung des Sohnes offenbart sich zugleich das Mariengeheimnis des ganzen Kosmos“ (46). „Die Himmelfahrt Marias ist ein Vorausbild der Verklärung des Kosmos... Was bei jeder Taufe geschieht, ist durch die Aufnahme Marias in den Himmel zum sichtbaren Zeichen des neuen Kosmos geworden“ (52). Nach dem Hymnus ist Maria (wie das Kreuz) die „Himmelsleiter, darauf Gott herniederstieg“ und wie die Schöpfungsweisheit „von Uranfang des Friedefürsten Thron“ (vgl. Spr 8,22f). Sie hat „das Heiligtum des Paradieses“ erschlossen beziehungsweise wieder zugänglich gemacht, denn: „Du (Maria) bist der Schlüssel zu Christi Königreich.“

 

 

Warum ist Jesus am Kreuz Sieger über Sünde und Tod?

Bild: Das Umgangslabyrinth am Boden im Eingangsbereich im Westen (= Untergang und Tod) in der Kathedrale von Chartres veranschaulicht die existentielle Situation des Menschen, der ausweglos dem Tod in Gestalt des Minotaurus verfallen ist. Es hat elf Umläufe, sechs sind rechtsläufig (‚mitsonnen‘), weshalb es eigentlich nicht ins ‚Verderben‘ führen“ kann (Hildegard Marcus, Spiritualität und Körper. Gestaltfinden durch Ursymbole, ³2008, 199). Die konzentrischen Kreise des Labyrinths mit 28 Kehren analog zu den 28 (4 x 7) Tagen des Mondlaufs stehen für die vergängliche Körperwelt in der Zeit. Die Westfassaden-Rosette lässt den goldenen Glanz der Abendsonne als Abglanz ewigen, heilen Lebens auf das Labyrinth fallen: „Der im Labyrinth geläuterte, in sich geklärte Mensch“ erwacht auf dem viergetaltigen Labyrinthweg  „zu seiner leib-geistig-seelischen Ganzheit als kreuzgestaltiger Kosmos" (200; 202).