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Warum will Petrus auf dem Berg Tabor drei Hütten bauen?
Warum kann David Goliath töten?
Warum ist der Mensch die Krone der Schöpfung?
Bild: Im Jahr 1556 kamen die ersten zwölf Jesuiten nach Prag, um gegenüber der Karlsbrücke im schon verfallenen Dominikanerkloster eine philosophisch-theologische Fakultät zu errichten als Konkurrenz zur protestantischen Karls-Universität. Im Nov. 1620 in der ersten großen Schlacht im Dreißigjährigen Krieg siegten die Habsburger am Weißen Berg über den böhmischen Ständeaufstand; die Rekatholisierung des Landes wurde getragen von den Jesuiten. Das in den Jahren 1653 bis 1726 entstandene Jesuiten-Collegium Klementinum prägte die geistige Elite Böhmens nach dem jesuitischen Wahlspruch: „Omnia ad maiorem Dei gloriam“ (Alles zur größere Ehre Gottes). 1696 wurden zwei Juden wegen angeblich blasphemischen Äußerungen gegen das Kreuz auf der Karlsbrücke zu einer Geldstrafe verurteilt, was für die jetzt am Kreuz angebrachte hebräische Umschrift verwendet wurde: „Kadosch Kadosch Kadosch JHWH Sebaoth“ – „Heilig, Heilig, Heilig ist der Herr der Heere“ (Jes 6,3).
Paulus verkündet im Kreuz Jesu „das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten voausbestimmt hat für unsere Verherrlichung. Keiner der Machthaber dieser Welt hat sie erkannt; denn hätten sie die Weisheit Gottes erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt“ (1 Kor 2,7f). Als Herr der Herrlichkeit erscheint im Alten Bund JHWH, den Jesaja in seiner Berufungsvision schaut, wenn die Serafim das dreimal „Heilig“ einander zurufen, denn: „Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt“ (Jes 6,3). ‚Herrlichkeit‘ steht für Größe, Großartigkeit, Ruhm, Pracht, (Licht-)Glanz und Glorie, auch für Schönheit, Kostbarkeit, Erhabenheit, Anziehung, Zauber und Nimbus (im Mittelhochdeutschen stand ‚Herrlichkeit‘ auch für Herrschaftsgebiet und Rechte eines Herrschers). Der Begriff ist verwandt mit Heiligkeit, Göttlichkeit, Hoheit, Majestät, Machtfülle, Kraft, Unvergänglichkeit und Ewigkeit. Das 1. Vatikanische Konzil betont: „Die Welt ist zur Ehre Gottes geschaffen“ (DS 3025): „Wie der hl. Bonaventura erklärt, hat Gott alles erschaffen, ‚nicht um seine Herrlichkeit zu mehren, sondern um seine Herrlichkeit zu bekunden und mitzuteilen‘ (sent. 2,1,2,2,1)“ (KKK 293). Bei Menschen drückt sich der soziale Status neben dem Tragen von Ehrentiteln im Namen auch durch die jeweilige Kleidung aus, die früher stark reglementiert war. Gottfried Kellers Novelle „Kleider machen Leute“ (1874) handelt von einem armen Schneidergesellen, der durch seine Kleidung für einen polnischen Graf gehalten wird, an dem die Tochter eines Amtsrates Gefallen findet; sie hält auch nach Aufdeckung des ‚Missverständnisses‘ an ihm fest, weil sie an seine Liebe glaubt, so dass es der Schneider am Ende zu einem Atelier, zu Wohlstand und Ansehen bringt. Umgekehrt hat man Gefangene oder Rebellen dadurch entehrt und entwürdigt, dass man sie entkleidet und nackt zur Schau gestellt hat wie bei einer römischen Kreuzigung. Die Menschen suchen ihre eigene Ehre, Jesus aber die Ehre Gottes (Joh 5,41.44; 17,4). Darum lässt er sich erniedrigen, dem Willen Gottes „gehorsam bis zum Tod am Kreuz“ – „zur Ehre Gottes, des Vaters“, der ihm umgekehrt den Namen verleiht, „der größer ist als alle Namen“, das heißt JHWH (Phil 2,8-11), und ihn so erhöht zum ewigen König der Herrlichkeit (Ps 47,6-10). „Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren“ (Joh 17,26).
Bild: Das im Sündenfall erblindete innere (dritte) Auge der Kontemplation findet Heilung im Glauben an Jesus (Joh 9,1-12), als „Licht, das jeden erleuchtet“ (Joh 1,9). Das Auge, Ajin, 70-10-50 = 130, ist heil, wenn es nicht nur die sichtbare Vielheit (= 7 oder 70) sieht, sondern auch die jenseitige Einheit (echad, 1-8-4 = 13 analog 130). Damit das Herz Gott schaut, muss es rein sein (Mt 5,6). Jesu Jüngern werden den Himmel offen sehen wie Jakob in seinem Traum von der Leiter (Joh 1,51; Gen 28,17): dem Kreuz, „drauf man steigt zum Leben, das Gott will ewig geben“ (GL 294,4). Maiestas Domini, Seitenportal Stiftskirche, Innichen, Pustertal.
Bei Jesu Kreuzigung reißt der Vorhang vor dem Allerheiligsten „von oben bis unten entzwei“ (Mt 27,51), so dass die im Tempel symbolisiert „Mitte der Welt“ (Ez 38,12) für alle Gläubigen zugänglich wird. Jeru-salem heißt ‚Sehen des Friedens‘ (schalom), des Ganzen. Die Mitte des Auges ist die Pupille; F. Weinreb schreibt: „Diese Erde ist das Schwarze, in dem sich die Iris befindet: Das sind die Völker. Und der dunkle Teil der Iris ist das ‚Land‘, dessen Mittelpunkt, wo sich das Bild formt, wo man also mit dem Auge sieht, wiederum Jerusalem mit dem Tempel ist.“ „Mit der ‚galgal‘ (wird) das Bild im Auge geformt.“ Im Auge drückt sich „das ganze Weltall“ aus: „Das Auge ist beim Menschen tatsächlich Jerusalem und der Tempel“ (Das Opfer in der Bibel, 2010, 621; 623). Galgal ist auch das „Räderwerk“ des kosmischen Thronwagens Gottes mit der „Herrlichkeit des Herrn“ (Ez 1,26-28; 10,13). Die Kirchenväter identifizieren diese Gestalt mit dem Messias-König auf dem Kreuzesthron; Herbert Schade bemerkt: „In der Maiestas Domini, das heißt, im Bild des im Himmel thronenden Herrn der Herrlichkeit, beobachten wir oft förmlich die Kreisbahnen des Lichtes. Manchmal erkennen wir sogar zwei Kreise, die aus den Lenden des Herrn hervorgehen und auf uns wie eine Acht (= 8) wirken. Diese Kreise bezeichnen den Lauf der Planeten und grenzen den Himmelsglobus ein, einen Bereich, den wir heute als Biosphäre ansprechen könnten. (…) Das Aufsteigen des Feuers aus den Lenden des Himmlischen Menschen (Ez 1,27) bietet der alten Theologie einen Ansatz, die Geschlechtlichkeit theophorisch zu erklären. So schreibt Origenes: ‚Die Lenden sind das Symbol der Zeugung.‘ Der Bericht des Propheten soll zeigen, dass diejenigen, die durch Geburt entstanden sind, das Feuer nötig haben. Ähnlich äußert sich auch Gregor der Große über den Ursprung des Feuers: ‚Was wird mit dem Begriff Lenden ausgedrückt, wenn nicht das Geschlecht.‘ Sehr deutlich formuliert es Hrabnus Maurus: ‚Das, was von den Lenden abwärts geht, wo der Geschlechtsverkehr und die Zeugung stattfindet und sich der Zündstoff für die Laster befindet, bedarf der Feuerflammen, damit, wenn alles gereinigt ist, dieser Bereich dem Regenbogen ähnlich wird, den man gemeinhin Iris nennt, und der in den Wolken an Regentagen erscheint.‘ Damit wird die Maiestas bzw. die Ezechielvision geradezu zum Motiv, die Geschlechtlichkeit als göttlichen Auftrag zur Integration der Sinnlichkeit und ihrer Sublimierung anzusehen“ (Der „Himmlische Mensch“, 1980, 30).
Vom Thron Gottes und vom Lamm geht ein Strom aus, „das Wasser des Lebens, klar wie Kristall“ (Offb 22,1). Ambrosius wie auch die Kabbala identifiziert den einen Paradiesquell (Gen 2,10), der sich in die vier Ströme teilt, mit der göttlichen Weisheit (Chokmah): „Sie ist Quell gemäß dem Evangelium, das sagt: ‚Wenn einer Durst hat, komme er zu mir und trinke‘ (Joh 7,37)… Wie also die Weisheit Quelle des Lebens ist, Quelle der christlichen Gnade, so ist sie Quelle der übrigen Tugenden, die uns auf dem Weg des ewigen Lebens leiten. Deshalb entspringt dieser Quell einer verfeinerten, nicht einer rohen Seele, um das Paradies zu bewässern, das ein Zweigwerk von verschiedenen Tugenden ist, von denen es vier grundlegende gibt, in die sich die Weisheit aufteilt. Welche sind die vier grundlegenden Tugenden, wenn nicht als erste die Klugheit, als nächste die Mäßigung, als dritte die Tapferkeit und als vierte die Gerechtigkeit?“ (Über das Paradies, 2013, 34f; vgl. Weish 8,7). Jesus am Jakobsbrunnen, griechisch-orthodoxe Pfarrkirche in Eloundas, Ostkreta.
Das Tragen von Wasser in Krügen und das Holen von Wasser aus Brunnen (Schoß der ‚Mutter Erde‘) ist in den alten Kulturen Sache der Frauen, das Entzünden des Feuers ist dagegen Sache der Männer. Bevor Abraham seinen geliebten Sohn Isaak auf dem Berg Mori-jah (= JHWH ist mein Lehrer) darbringen will, gerät er mit Abimelch wegen eines Brunnens in Beerscheba (Sieben-Brunnen) aneinander (Gen 21,25-33). Zum ersten Mal begegnet Isaak seiner Frau Rebekka, wo er von einem Brunnen kommt (Gen 24,62-64). Das Wort für ‚Brunnen‘ und ‚Quelle‘, be-er, 2-1-200, hat dieselben Komponenten wie bara, ‚erschaffen‘, und bari, 2-200-10-1, ‚gesund‘. „Darin lässt sich der Stamm von ‚Schöpfung‘ wiedererkennen: Der gesunde Mensch ist, wie jeder neue Tag, eine Schöpfung. (…) Er ist im Ursprung, bei ‚chochmah‘ [Weisheit], ‚binah‘ [Verstand] und ‚daath‘ [Erkenntnis], und ist zugleich auch hier. Er ist hier [im Bund] verbunden mit Dort, dann nennt man ihn ‚gesund‘“ (Weinreb, Der Weg durch den Tempel, 2000, 111f). Am Jakobsbrunnen trifft Jesus um die Mittagsstunde eine samaritanischen Frau, die fünf Männer hatte und der jetzige, der sechste, „ist nicht dein Mann“ (Joh 4,18). Jesus offenbart sich hier wie auf der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11) als der wahre Bräutigam der menschlichen Seele; ihr erschließt er den lebendig machenden Quell des Geistes, so dass sie „niemals mehr Durst“ hat, weil das Wasser, das Jesus gibt, „zur sprudelnden Quelle“ im Menschen wird (Joh 4,12-14). Dieses Wasser ist der Heilige Geist (Joh 7,38f), aber auch sein eucharistisches „Blut des Bundes“, das „wirklich ein Trank“ ist (Joh 6,55). Im Hohelied der Liebe erscheint die Braut als „verschlossener Garten“ und „versiegelter Quell“: „Die Quelle des Gartens bist du, ein Brunnen lebendigen Wassers, Wasser vom Libanon“ (Hld 4,12.15). Einen Garten gibt es nur, wenn eine Quelle da ist, die von Kabbalisten wie Rabbi Pinchas auf die oberen Sefirot bezogen wird: „Die Quelle, verborgen und versiegelt, die diese Gärten [die fünf unteren Sefirot] bewässert, ist Binah“, der göttliche Verstand auf der linken Seite des Symbol-Systems der Sephirot (wobei Tipheret und Jesod auf der Mittalachse als eins gesehen werden): „In den Höhen der Sephirot, in Chokmah [Weisheit] und Binah, ist die Quelle des lebendigen Wassers“ (R.Umbach, Deine Liebe ist süßer als Wein. Das Hohelied, kabbalistisch gelesen, 2005,159).
Bild: Jesu Verklärung zwischen Mose und Elija bezieht sich mittelbar auf das Laubhüttenfest. Mit dem Bau der provisorischen Laubhütten beginnt man im jüdischen Festkalender nach Ablauf des 10. Tages im 7. Monat Tischri am Ende des Versöhnungstages Jom Kippur. Die zum Himmel hin offenen Hütten waren Hinweis auf das Wohnen der „Gerechten im Paradies“ – „und dass das Laubhüttenfest diese Hoffnung wachhalte“ (Jean Daniélou, Liturgie und Bibel, 377). Israels Feste dauern wie die Schöpfung sieben Tage, das Laubhüttenfest hat aber noch einen ‚achten Tag‘: Hinweis auf die jenseitige Welt – Mosaikbild des „Altars der Transfiguration“ (Ausschnitt), Petersdom (1757-67 nach Raffaels Meisterwerk angefertigt).
Die drei biblischen Wallfahrtsfeste Ostern (Pesach), Pfingsten (Schwuoth) und Laubhütten (Sukkoth) haben ihr Ziel im Jerusalemer Tempel. Das dritte Fest Laubhütten ist das einzige, das mit einem achten Tag abschließt. Bei der Verklärung Jesu zwischen Mose und Elija will Petrus „drei Hütten“ bauen (Mt 17,4), und zwar „sechs Tage“ (V.1) nach seinem Bekenntnis zu Jesus als Messias (Mt 16,16), so „wie der Hohepriester am Kippurfest … den ‚Namen des einzigen Sohnes Gottes‘“ ausruft und das Laubhüttenfest beginnt, „das Fest der Aufrichtung des messianischen Gottesreiches“; Israels Glaubensbekenntnis „Höre Israel“ (Dtn 6,5) wird auf Jesus übertragen: „Auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5) (Juan-Miguel Garrigues, Das messianische Israel, in: IKaZ 24 [1995], 209-224, 209-214). Auf dieses Messias-Bekenntnis des Petrus als ‚Felsen‘ baut Jesus seine Kirche, die von den „Mächten der Unterwelt“ nicht überwältigt wird (Mt 16,18); das heißt, sie unterliegt nicht der Vergänglichkeit der Zeit, sondern verbindet diese mit der Ewigkeit. Diese Aufhebung der Zeit in der Ewigkeit wird auch schon im Laubhüttenfest avisiert, Friedrich Weinreb schreibt: „Das Laubhüttenfest ist in der Ausdrucksweise dieser Welt die Zeit des Endes. Die Welt des siebten Tages hört dann zu bestehen auf. Darum findet während dieses Festes das sogenannte ‚Ausgießen des Wassers‘ statt (Mischnajoth Sukka IV und V). Unter großer Freude wird Wasser in den Tempel gebracht und auf dem Altar ausgegossen. Das heißt also, dass an dieser Stelle, wo Bild und Wesen ‚eins‘ sind, das Wasser, die Zeit, ausgegossen wird, also dort, wo der Körper infolge der Zeit immer wieder wegging, wo er von dieser Welt in die andere überging. Jetzt nimmt die Zeit ein Ende, und das wird an diesem Ort mit großer Freude erlebt“ (Schöpfung im Wort, ³2012, 900). Auf diesen Ritus des Wasserausgießens bezieht sich Jesu Ruf am letzten oder „großen Tag“ (achten Tag) des achttägigen Laubhüttenfestes: „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“ (Joh 7,37-39). Die Verherrlichung Jesu durch seinen himmlischen Vater geschieht in der „Stunde“ seines Todes am Kreuz, die in der tiefsten Erniedrigung seine ‚Erhöhung‘ über die Erde darstellt; so kann er „alle“ zu sich ziehen (Joh 12,28-29.32).
Bild: Wolodymyr Selenskyj hat den Krieg Russlands gegen sein Land knapp ein Jahr danach mit dem Kampf Goliaths gegen David verglichen: „Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen“ (SWP, 18. 2. 2023). In der Bibel geht es aber um den Kampf zwischen Geist und Materie. Das Auflegen eines Aschenkreuzes am Aschermittwoch erinnert nicht nur daran, dass der Mensch „nur Staub ist und zum Staub der Erde zurückkehrt“ (vgl. Gen 3,19); vielmehr weist die Form des Kreuzes über den Tod hinaus zur Auferstehung. David besiegt Goliath, St. Jakobus, Tramin (Südtirol).
Der Kampf des kleineren und vermeintlich schwächeren David gegen den Riesen Goliath (1 Sam 17,1-58) ist sprichwörtlich. Am Ende besiegt der junge, „blonde“ Hirtenknabe David mit den „schönen Augen“ und der „schönen Gestalt“, der jüngste und ‚achte‘ Sohn Isais (1 Sam 16,9-13), den starken Philister bloß mit seiner Schleuder und einem von insgesamt fünf Steinen (nach dem 1–4-Prinzip), mit dem er ihn an der Stirn trifft (1 Sam 16,12; 17,40.49f). Für Cäsarius, Erzbischof von Arles (gest. 542), symbolisiert dieser eine Stein Christus selbst: „Der wahre David, Christus, trifft den geistigen Goliath, den Teufel, gerade auf der Stirn, die das Zeichen des Kreuzes nicht trägt, mit dem Stein, der IHN selber vorgebildet hatte.“ Mechthild Clauss versteht dieser Präfiguration des Steines so, dass „die Kraft des Heiligen Geistes, welche die Menschwerdung des Gottessohnes bewirkte“, ihn allegorisch verkörpert hat (Illustration als Textauslegung. Der karolingische Stuttgarter Psalter um 830, 2013, 33). Im Stuttgarter Psalter besiegt David den Goliath allerdings nicht mit dem 5. Stein (als Quint-essenz), sondern mit dessen eigenem Schwert (vgl. die Darstellung S. 285). Mit Bezug auf Ps 151,7 („Ich zog von der Seite ihm das Schwert, / Und hieb ihm das Haupt…“) heißt es: „Der Miniator knüpft seine Darstellung von Davids Kampf mit Goliath an eine Bemerkung des Psalmisten (V.7), die schon im ersten Samuel-Buch auftaucht (17,51). David zieht nämlich mit beiden Händen das riesige Schwert des Goliath aus der Scheide, um – so heißt es in Bibel und Psalm – den Gegner mit dessen eigener Waffe zu töten.“ „Das bedeutet: das Böse wird vernichtet durch das Böse, – durch sich selbst! David hat Goliath entmachtet, indem er ihm die Todeswaffe nahm. (…) Er kämpft nicht mit den gleichen Mitteln wie sein Gegner – nicht mit körperlicher, sondern mit geistiger Überlegenheit“ (278). Goliath ist ein Sohn der Orpa, die in Moab, 40-6-1-2 = 49 (= 7 x 7), einen Sohn der Naomi heiratet, während ihr anderer Sohn sich mit Ruth vermählt, der Ahnfrau König Davids (vgl. Rut 1,4; 4,21), der den Messias präfiguriert: „Der Name Orpa, 70-200-80(-5), zeigt in seiner Struktur ebenfalls die Dreihundertfünfzig, den Begriff der Dreieinhalb... Orpa hat also das, was die Materie auch hat, ‚aphar‘, 70-80-200 [= 350], Staub“ (Friedrich Weinreb, Das Opfer in der Bibel, 2010, 145f).
Wer in der Taufe „sein Gewand wäscht“ (Offb 22,14), das im Sündenfall beschmutzt wurde, und im Glauben über die Welt siegt (1 Joh
5,4), „der darf mit mir auf meinem Thron sitzen, so wie auch ich gesiegt habe und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe“ (Offb 3,21). Siegerin über die Welt (Schlange) ist mehr als
alle anderen Maria als neue Eva, weshalb ihr Sohn sie im Himmel krönt. Apsismosaik, Basilika Maria Maggiore (unter den Füßen von Christus und Maria die Symbole von Sonne und Mond).
In Psalm 8,1-7 betet der Psalmist: „Herr, unser Herr, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde; der du deine Hoheit gebreitet hast über den Himmel. (…) Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Pracht und Herrlichkeit gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße.“ Der Mensch im Bild und in der Ähnlichkeit Gottes steht nicht auf der gleichen Stufe wie die mit ihm am ‚sechsten Tag‘ erschaffenen Tiere des Feldes oder der Erde. Denn diesen gibt der Mensch Adam ihre jeweiligen Namen, was ihn als Träger von Sprache und Logos (Vernunft) ausweist; eine ihm ebenbürtiger ‚Hilfe‘ für sein ‚nicht gutes‘ Allein-sein findet er unter den Tieren aber nicht (Gen 2,19f). Erst der ‚Bau‘ der Frau aus seiner ‚Rippe‘ im ‚Tiefschlaf‘, die Gott ihm als Brautführer zuführt, lässt ihn in Jubel ausbrechen: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ (V.23). Nach Bonaventura ist der Mensch „die Krönung des Weltwerdungsprozesses, und Christus ist die Krönung des geschichtlichen Prozesses: das sechste Weltalter, da Gott Mensch wird, entspricht dem sechsten Schöpfungstag, da der Mensch entsteht und als König der Welt eingesetzt wird“ (Hans Urs von Balthasar, Herrlichkeit, Bd. II/1, 265-361: Bonaventura, 311). Aber wie Adam diese ‚Krönung‘ nicht allein ist, so auch nicht der neue Adam Christus allein (solus Christus), sondern nur in Einheit mit Maria als neuer Eva beziehungsweise der einen Kirche als neuer Eva, von der Paulus als Brautführer sagt: „Ich liebe euch mit der Eifersucht Gottes; ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen“ (2 Kor 11,2). Durch die Fleischwerdung des Wortes (Joh 1,14) und die Eucharistie als Jesu „Fleisch“ und „Blut“ (Joh 6,53-56) wird die Kirche als Jesu mystischer Leib erbaut mit dem Ziel, das Bräutigam und Braut „ein Fleisch“ (Eph 5,30) und „ein Geist“ (Eph 4,4) sind, nach Adrienne von Speyr „vielleicht das größte Geheimnis innerhalb der Christenheit“ (Kinder des Lichts. Betrachtungen Epheserbrief, 206-209).