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Warum erwirbt sich Jesus als der Gekreuzigte die wahre Braut?
Warum treibt Jesus mit Feuer-Eifer die Händler aus dem Tempel?
Warum ist der Gekreuzigte der wahre Grundstein der Welt?
Warum ist die Opferung Isaaks Vorausbild des Kreuzesopfers Jesu
Warum ist der Narr der Fastnacht eigentlich ein gottloser Tor?
Warum wird erst Paulus zum Apostel der Völker?
Warum beginnt Jesu öffentliches Wirken auf einer Hochzeit?
Warum wird der reiche Gott ein armes Kind in der Krippe?
Warum ist der Advent Hinweis auf Jesu zweite Ankunft am Ende?
Warum werden die Heiligen durch einen Siegeskranz gekrönt?
Warum müssen die Gläubigen das wahre Hören erst lernen?
Warum ist die Jungfrau Maria die neue, lebendige Bundeslade?
Warum sind die Engel in der Bibel nicht queer?
Warum kommen Tiere nicht in den Himmel der Engel?
Warum ist Jesus am Kreuz die heilende Schlange?
Warum gibt Jesus dem Petrus die Schlüssel zum Himmelreich?
Warum trägt Maria die Sternen-Krone einer Königin?
Bild: Franz von Assisi schaut in den Priestern „den Bräutigam selbst“: „In allen Priestern und Bischöfen und zusammenfassend im Papst sieht er die priesterliche Gegenwart und Gewalt des Bräutigams. Darin liegt das Geheimnis der hierarchischen Kirche“ (Eugen Mederlet, Die Hochzeit des Lammes. Franziskus und die bräutliche Kirche, 1983, 126). „Das Fest aber, zu dem die Heiligste Dreifaltigkeit uns einlädt, ist Hochzeitsfest. ‚Ein König hielt seinem Sohne Hochzeit‘ (Mt 22,2). Zu diesem Hochzeitsfest ruft Franziskus die ganze Schöpfung auf. Sein Flehen um die Reinheit der Priester, sein Ringen um die Bekehrung der Menschen, sein eigenes strenges Bußleben, sein Wachen über die Keuschheit, seine Armut, sein Gehorsam, sein Beten, alles zielt immer auf die Eucharistie hin, alles ist Zubereitung der Braut. Denn die himmlische Hochzeit, zu der die ganze Schöpfung hin pilgert, reift, sakramental verborgen, heran in der Eucharistie “ (146). Die vorösterliche Bußzeit ist Zeit der ‚Reinigung der Braut‘ (der Seele). Marc Chagall, Der Gekreuzigte mit Frau (Ekklesia, neues Israel), Widder, unten roter Hahn, grüne Henne.
Das österliche Lamm Gottes ist von allen biblischen Tiersymbolen für Jesus Christus (Löwe, Heilsschlange, Einhorn) das bekannteste und bedeutendste: „Es wurzelt ausschließlich im Alten und Neuen Testament. Die außerbiblische Umwelt hat nichts Vergleichbares aufzuweisen“ (Heinrich und Margarethe Schmidt, Die vergessene Bildersprache christlicher Kunst, 1981, 72-78: Lamm, 72). Mit den Worten des Täufers Johannes sagt der zelebrierende Priester, der „in der Person des Hauptes Christus handeln“ kann (PO 2), bei der Erhebung der Hostie vor der Kommunionspendung in jeder kath. Eucharistie als „Hochzeitsmahl des Lammes“ (Offb 19,9): „Seht, das Lamm Gottes, es nimmt hinweg die Sünde der Welt“ (Joh 1,29). Der Täufer bezeichnet sich selbst als „Freund des Bräutigams“ (Joh 3,20). Das Osterlamm hat sein kosmisches Urbild im ersten Tierkreiszeichen Widder als Symbol des Frühlingsbeginns (Ex12,2). Ps 19,6 vergleicht die junge ‚männliche‘ Sonne (Helios, Sol), die ihren Jahreslauf in Zeichen Widder beginnt, mit einem ‚Bräutigam‘, der christologisch auf Christus gedeutet wurde: „Das Geburtsfest des Johannes [24. Juni] liegt auf dem Datum, da der Tag abzunehmen beginnt, wie das Geburtsfest Christi [25. Dezember] Anfang des neuen Aufgangs ist“ (Joseph Ratzinger, Der Geist der Liturgie, 2000, 94f). Nach Franz von Sales ist mit Blick auf die auch an Weihnachten gefeierte österliche Eucharistie als festliche Vermählung „die Seele die Braut und Verlobte des Lammes. Erst wenn wir zum Himmel eingegangen sind, ist die Feier jener göttlichen Vereinigung“ (zit. nach Otto Karrer, Der mystische Strom, 1986, 268). Schon jetzt aber „ersättigen (wir) unser Herz an den göttlichen Vollkommenheiten, durch die Lust, die wir daran haben. So kommt er, ‚der Geliebte in seinen Garten‘ [Hld 4,16]“ (ebd.). Der göttliche Bräutigam steigt herab in den Grund der geliebten Seele. Gerade als am Kreuz geopfertes Osterlamm erweist sich Jesus als der „Bräutigam“, der „die Braut hat“ (Joh 3,29), die er sich durch „Blut“ (Eucharistie) und „Wasser“ (Taufe) aus seinem geöffneten Herzen (Joh 19,34) zum ‚hochzeitlichen‘ Einssein in der Liebe erwirbt. Papst Franziskus betont in seinem Apostolischen Schreiben Desiderio desideravi über die liturgische Bildung des Volkes Gottes (29. Juni 2022): „Die Welt weiß es noch nicht, aber alle sind zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen (Offb 19,9). Alles, was es dazu braucht, ist das Hochzeitskleid des Glaubens, der aus dem Hören seines Wortes kommt (vgl. Röm 10,17): Die Kirche schneidert es aus einem weißen, im Blut des Lammes gewaschenen Tuches (vgl. Offb 7,14).“
Bild: Viele Hauptstädte der Länder haben einen kreuzförmigen Grundriss mit Straßen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung, in deren Kreuzungspunkt sich der Tempel als Zentrum der jeweiligen Welt erhebt. Bei den Azteken in der Hauptstadt Tenochtitlan (heute Mexiko-Stadt) war der größte und wichtigste Tempel der Templo Mayor (auch Große Pyramide), der 1375 errichtet wurde. Auf der nördlichen Hälfte der Pyramidenplattform stand der Schrein für den Erd- und Regengott Tlaloc (‚Wasser‘), auf der südlichen Hälfte der Schrein für den Sonnengott Huitzilopochtli (‚Feuer‘). Die Gegensätze von Feuer und Wasser bilden als Einheit im Hebräischen das Wort für Himmel, ‚schamajim‘ als eine „Zusammenfügung von ‚esch‘ und ‚majim‘, von Feuer und Wasser. Der Gegensatz ist dort aufgehoben, Feuer und Wasser sind dort eine Einheit“ (F. Weinreb, Der Weg durch den Tempel, 2000, 384). Wasser steht für Zeit/Materie, Feuer für Geist und Gott: „Unser Gott ist verzehrendes Feuer“ (Dtn 4,24; Hebr 12,29). Jesus reinigt den Tempel von Jerusalem mit ‚Feuer-Eifer‘; „Der Eifer für dein Haus verzehrt mich“ (Ps 69,10; Joh 2,17).
Der Tempel in Jerusalem war der „Nabel der Welt“ (Ez 38,12) und der „Himmel auf Erden“. Das galt im Grunde für alle Haupttempel, die dann auch im kreuzförmigen Zentrum der Hauptstadt errichtet wurden, bei den der Inka in Cuzco (Peru) und bei den Azteken in Tenochtitlan. Denn die (Menschen-)Opfer auf der Höhe des Stufentempels als Nachbildung eines heiligen Berges hatten den Sinn, den ganzen Kosmos in Gang zu halten: „Menschenopfer waren eine Notwendigkeit“, so Nikolai Grube, um den ‚männlichen‘ Sonnengott im kosmischen Kampf gegen die ‚weibliche‘ Mondgöttin zu stärken (Interview, in: Spiegel-Geschichte 2/2014: Inka – Maya – Azteken. Die Geheimnisvollen Königreiche, 18-23). Die Azteken brachten dem Sonnengott bei den „täglichen Menschenopfern“ mit dem herausgerissenen schlagenden Herzen des Opfers das Kostbarste, das sie hatten: Auf der obersten Stufe der Hauptpyramide in Tenochtitlan wurde der Todgeweihte von vier Priestern an den vier Gliedmaßen festgehalten, ein fünfter packte das Opfer an der Kehle und ein sechster schnitt mit einem Messer aus Obsidian „dem Opfer nun unterhalb der Rippen die Brust auf und riss ihm das noch schlagende Herz heraus. Letzteres wurde erst ins Sonnenlicht gehalten und dann in eine sogenannten Adlerschale gelegt und verbrannt. (…) Teile des Körpers wurden anschließend in einer feierlichen Zeremonie verspeist. (…) Grundlage des Glaubens war die Vorstellung, dass sich die Götter einst selbst geopfert hatten, um Sonne, Erde und Mond überhaupt zu erschaffen. Dafür galt es nun entsprechende Dankbarkeit zu zeigen. (…) Da sie den Göttern schließlich das Kostbarste auf der Welt überhaupt gaben, fürchteten sie sich kaum und erwarteten stattdessen angemessene Gegenleistungen“ (Daniel Sander, Brennende Herzen, ebd., 94-97, 94f). Im christlichen Glauben bringt Gott sich selbst in Gestalt seines Sohnes am Kreuz dar, um dem der Sünde und dem Tod verfallenen Menschen die Urgerechtigkeit und das ewige Leben wieder zu schenken. Jesu von der Lanze durchbohrtes reines Herz, aus dem „Blut“ und „Wasser“ strömen (Joh 19,34.37; Sach 12,10), ist als wahres Opfer, das „die Reinigung von den Sünden bewirkt“ (Hebr 1,3), der bleibende Quell der Gnade und so die Erfüllung von Sach 13,1: „An jenem Tag wird für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle fließen zur Reinigung von Sünde und Unreinheit.“ So erfüllt sich am Kreuz auch, was die Szene der Tempelreinigung am Anfang beginnt (Joh 2,13-22).
Bild: Symbol für Anfang, Mitte und Ende der Welt ist der Grundstein vor der Bundeslade im Allerheiligsten des Tempels in Jerusalem, ewen schethi-jah; ewen ist zusammengesetzt aus aw, ‚Vater‘, und ben, ‚Sohn, scheti-jah aus den letzten beiden Buchstaben Schin (= 300) und Taw (= 400) sowie -jah: Kurzform v. JHWH. Jakob liegt mit seinen Kopf auf dem Stein (Gen 28,11) oder „Punkt, wo die Verbindung mit der anderen Welt besteht. (...) Und ohne es zu wissen, liegt Jakob dort auf dem ‚ewen schethijah‘, auf dem Ursprung der Welt, dem Stein ‚ewen‘, aus dem die Welt entsteht“ (F. Weinreb, Der Weg durch den Tempel, 2000, 43f). Jesus, der als der Sohn mit dem Vater ganz „eins“ ist (Joh 19,30), ist als der Gekreuzigte der verworfene „Eckstein“ (Ps 118,22; Mt 21,42), Vorbild für den „Fels“ (Petrus), auf dem Jesus seine Kirche baut (Mt 16,18). Gottes Lamm auf dem Fels mit 4 Paradiesströmen und „Hirschen“: Zeno-Kapelle, Bas. S. Prassede, Rom.
Nach Klaus Bieberstein interpretieren „rabbinische Quellen … eine Felskuppe an der höchsten Stelle des profanierten Temenos [Tempels], die nach der Zerstörung des Tempels [von Jerusalem] zutage trat (mYom 5,2), als jenen ‚Grundstein‘ (hebr. ʾeven šətiyȧ), von dem aus die Welt erschaffen worden sei (tYom 3,6; bYom 54b)“ (Ein Gott. Ein Ort. Ein Palimpsest, in: F. Bruckmann u. a. [Hg.], Im Angesicht der Anderen, 2013, 262). In palästinischen Midraschim (5. Jh.) heißt es, „dass die ‚Einwohnung‘ Gottes (hebr. šəkinȧ) auch weiterhin am Ort des zerstörten Tempels verblieben sei, um zu erklären, warum die dem verwüsteten Allerheiligsten benachbarte, westliche Temenosmauer [Klagemauer] unter Vespasian nicht zerstört worden sei (EkhaR 1,5; TanB zu Ex 1,10)“ (ebd.). Muḥammad knüpfte „an die Traditionen des Ortes positiv“ an, auch um „seine eigene Verkündigung in dessen Geschichte einzuordnen“ (263). Mit Übernahme Jerusalems durch islamische Truppen (ca. 638) erhielt der Ort „in zweifellos programmatischer Absicht den neuen arabischen Namen Bayt al-Maqdis, ‚Haus des Heiligtums‘“ (264). Der Tempelplatz wurde nach Süden ausgerichtet, „die Renaissance der Heiligen Stätte (wurde) in muslimischen Quellen explizit als Wiederaufbau des biblischen Tempels gewertet“ (265). Der oktogonale „Felsendom“ wurde dort 691/92 errichtet, seine oktogonale Architektur allerdings „gründet … in christlichen Traditionen“ (271). Die „Bildsprache des Paradies- und Tempelgartens in ihrer Kombination von Palmen, Rankenwerk und Keruben kehrt auch im Felsendom wieder und lässt ihn als wiedererrichteten Salomonischen Tempel und Stätte des Paradieses erscheinen“ (268). „Der Fels (galt) als Anfang der Schöpfung: Auf ihm stand Gott 40 Jahre, bevor er mit der Schöpfung begann; von ihm gehen die Ströme des Paradieses aus; auf ihm wurde Adam erschaffen; von ihm fuhr Gott nach der Schöpfung in den Himmel auf; er allein wurde von der Sintflut nicht überspült; auf ihm brachte Noah nach der Sintflut sein erstes Opfer dar; ihn bestimmte Abraham als Gebetsrichtung (arab. Qibla); über ihm sah Jakob die Himmelsleiter (vgl. Gen 28,12), und auf ihm errichtete Salomo seinen Tempel (vgl. 1 Kön 6–8)“ (267). Einen Bezug zum Felsen, auf dem das Lamm steht und das Kreuz errichtet wird, von dem die vier Paradiesströme ausgehen (Apsismosaik Lateranbasilika), stellt Bieberstein nicht her, auch nicht zur Auferstehung Jesu am ‚achten Tag‘, weshalb Kirchen oktogonal sind.
Bild: Am 2. Fastensonntag (25. Februar) ist die „Opferung“ Isaaks auf dem Morijah liturgische Lesung parallel zur Verklärung Jesu auf dem Tabor (‚Nabel‘). Isaak trägt auf Illustrationen sein Feuerholz wie ein Kreuz oder X (= Chi), Symbol für den Schnittpunkt von Himmelsäquator und Ekliptik in der Tagundnacht-gleiche im Frühling, dem 25. März (julianisch) als ‚Anfang‘ des Jahres und der Schöpfung. Gott erschafft am ‚Tag Eins‘ (Sonntag) das eine Urlicht, das dann am ‚achten Tag‘ (Sonntag) als Osterlicht der Auferstehung wiederkehrt: „Denn Gott, der sprach, aus Finsternis soll Licht aufleuchten, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi“ (2 Kor 4,6). Statt Isaak wir der Widder im Baum geopfert (Gen 22,13), hier im X-Baum; denn der Widder symbolisiert das erste Tierkreiszeichen und weist voraus auf das Pascha- oder Osterlamm, als das Jesus geopfert wird (1 Kor 5,7). Gefeiert wird Ostern wird am ersten Sonn-tag nach den Frühlingsvollmond (2024 am 31. März). Ingeborg-Psalter (um 1200).
Isaak wird mit 37 Jahren in der ‚Bindung‘, akeda, zum Opfer, korban, auf dem späteren Tempelberg Morijah zu Gott ‚näher-‘ oder ‚hochgebracht‘ (griech. ana-phora). Die 37 Jahre ergeben sich aus Sarahs Alter von ‚90 Jahren‘ bei Isaaks Geburt und ihrem Tod mit ‚127 Jahren‘ unmittelbar nach seiner ‚Bindung‘ (Gen 17,17; 23,1). In diesem Alter ist eine natürliche Empfängnis nicht mehr möglich (Rom 4,19: „Sarahs Mutterschoß“ war „erstorben“), und auch Abraham ist bei Isaaks Geburt schon „100 Jahre“ alt (Gen 17,17.24; 21,5); deshalb ‚lacht‘ Sarah bei der Ankündigung ihrer Mutterschaft (Gen 17,17; 18,12-15; 21,6); das spielt auf die Bedeutung des Namens Isaak an: Jizchak = er lacht. Sarah hatte keine Menstruation mehr (Gen 18,11), war somit bei Isaaks Empfängnis nicht mehr vom Zyklus der ‚Mondin‘, Luna, abhängig. Im alten Wissen ist es nach Friedrich Weinreb eine „Tatsache, dass die monatliche Periode der Frau normalerweise der Monatsperiode des Mondes entspricht“ (Schöpfung im Wort, ³2012, 42). Nach der biblischen Zeitrechnung beginnen mit der Geburt Isaaks die „400 Jahre“ der ‚Knechtschaft‘ Israels in ‚Ägypten‘ (Gen 15,13) bis zum befreienden Exodus, so dass es „von der Geburt Abrahams gerechnet bis dahin also 500 Jahre waren. (…) Es gibt also in dieser Zeitstruktur auch das 1– 4-Verhältnis“ (295) von Gott und Welt. Die 500 (= 100–400) Jahre von Abrahams Geburt bis zum Auszug zeigen, dass der Exodus ein Akt der ‚Neugeburt‘ Israels ist; denn das hebräische Alphabet endet mit dem 22., ursprünglich kreuzförmigen Buchstaben Taw = 400, so dass die 500 der ‚jenseitige‘ Buchstabe ist, so wie der ‚achte Tag‘ jenseits der Sieben-Tage-Schöpfung steht: „Das Zeichen der 400 in der althebräischen Schrift … ist das Kreuz, das auch als Zeichen des Leidens bekannt war. Damit drückt es also das gleiche aus wie die 400, die das lange, ewig scheinende Leiden in der Knechtschaft darstellt“ (177). Dagegen ist „das Maß 500 als Abstand zwischen Himmel und Erde … unvereinbar mit der materiellen Ausdrucksweise, sie liegt … außerhalb der Buchstaben, die diese Ausdrucksmöglichkeiten ausschöpfen. Es gibt keinen Buchstaben für die 500“ (179). Die 500 kommt am Sinai mit der „Offenbarung Gottes und dem Geschenk des Wortes an die Welt“ (181). Und sie kommt mit der Auferstehung Jesu, des fleischgewordenen Wortes, am ‚achten Tag‘ (Sonntag) nach dem Kreuzesopfer am ‚sechsten Tag‘: Der Auferstandene erschien mehr als „500 Brüdern zugleich“ (1 Kor 15,6). Die 37 Jahre Isaaks übersteigen die 36 = 6 x = der ‚sechste Tag‘ (die Summe der Zahlen von 1 bis 36 ist 666).
Bild: Die „fünfte Jahreszeit“ der Narren ist gebunden an Ostern und zuvor die 40-tägige Fastenzeit (ohne die Sonntage). Die Nacht vor dem Fasten ist die Fastnacht, dann heißt es carne vale (Fleisch, lebe wohl!). Am Aschermittwoch ist dann „alles vorbei“ mit der Narretei, der Verkehrung der rechten Ordnung, dass die Narren mit den „Schellen“ das Sagen haben, wo es doch heißt, ohne die Liebe wäre ich „eine klingende Schelle“ (1 Kor 13,1). Die Vermummten mit geschnitzten Teufelsfratzen tragen mit Tierfell-Kostümen das Kleid, das Gott nach dem Sündenfall für Adam schneidert: „Gott, der Herr, machte Adam und seiner Frau Röcke aus Fellen und bekleidete sie damit“ (Gen 3,21). Der ‚gefallene‘ Mensch ist jetzt ‚tierähnlich‘ oder ‚affenähnlich‘ geworden, nicht mehr das ‚gottähnliche‘ Bild Gottes, als der er ursprünglich geschaffen ist. Erst jetzt ist er auch sterblich: „Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurückkehren“ (Gen 3,19). Das hört der ‚Büßer‘ zu Beginn der Fastenzeit beim Auflegen des Aschenkreuzes, um des Ernstes der kommenden Zeit der Umkehr innezuwerden. Villingen, Narr mit ‚Narrensamen‘.
„Der Narr spricht in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott“ (Ps 53,2). Das Buch der Weisheit (1. Jh. v. Chr.) lässt die gottlosen „Frevler“ sagen: „Kurz und traurig ist unser Leben; für das Ende des Menschen gibt es keine Arznei, und man kennt keinen, der aus der Welt des Todes befreit. Durch Zufall sind wir geworden, und danach werden wir sein, als wären wir nie gewesen. Der Atem in unserer Nase ist Rauch, und das Denken ist ein Funke, der vom Schlag des Herzens entfacht wird; verlöscht er, dann zerfällt der Leib zu Asche, und der Geist verweht wie dünne Luft“ (Weish 2,1-3). Aus dieser hoffnungslosen ‚Daseinsanalyse‘ folgt die blinde Gier nach grenzenlosem Genuss: „Auf, lasst uns die Güter des Lebens genießen und die Schöpfung auskosten, wie es der Jugend zusteht. Erlesener Wein und Salböl sollen uns reichlich fließen, keine Blume des Frühlings darf uns entgehen; keine Wiese bleibe unberührt von unserem ausgelassenen Treiben. Überall wollen wir Zeichen der Fröhlichkeit zurücklassen; das ist unser Anteil, das fällt uns zu“ (Weish 2,6-9). Dieser hemmungslosen Ausgelassenheit des Gottlosen steht der gläubige „Gerechte“ im Weg, der „prahlt, Gott sei sein Vater“ (V.16). Mit ihm gehen die Frevler „roh und grausam“ um, um die Wahrheit seiner Aussage und „seine Geduld zu erproben. Zu einem ehrlosen Tod wollen wir ihn verurteilen, er behauptet ja, es werde ihm Hilfe gewährt“ (2,19f). Zu einem ‚Sklaventod‘ wird Jesus am Holz des Kreuzes verurteilt, was im Christentum zum Zeichen der Erlösung aus gottwidriger Sünde und Tod wird; dieser ist ‚gottlos‘ wie der Narr, denn „Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden“ (Weish 1,13); er ist vielmehr der „Freund des Lebens“ (Weish 11,26). Der Tod dagegen ist Folge der Abkehr von Gott als Quell des Lebens: Durch die Sünde Adams kam „der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen“ (Röm 5,12). Adam ist hier der erste Narr oder Tor; denn: „Die Rede eines Frommen ist allezeit Weisheit, der Tor aber ist veränderlich wie der Mond“ (Sir 27,11). Der „Mond“ steht für die Sinnlichkeit, Körperlichkeit und Vergänglichkeit, die Weisheit für die ‚sonnenhafte‘ Unveränderlichkeit. Der erste Mensch greift zum verbotenen, todbringenden Baum der Erkenntnis (= „Mondbaum“), das Kreuz ist der lebensspende Baum des Lebens (=„Sonnenbaum“) – mit der Eucharistie als seiner Frucht; diese kehrt die Verkehrung der Welt mit dem Sündenfall-Essen wieder um als „Arznei der Unsterblichkeit“ für den sterblich gewordenen Menschen.
Bild: Am 25. Januar gedenken die großen christlichen Konfessionen der Bekehrung des Paulus, die für den Gang der Kirche zur Weltkirche aus „Juden und Heiden“ (Eph 2,11-22) von grundlegender Bedeutung ist. Martin Buber hat dem Diasporajuden Saulus vorgeworfen, durch seine Betonung von Gnade und Glaube anstelle von guten Werken nach dem Gesetz den Weg zu Marcion (ca. 85–160 n. Chr.) gebahnt zu haben; dieser hat das Alte Testament verworfen, weil es angeblich einen unbarmherzig strafenden Richtergott bezeugt, der nichts mit dem Gott Jesu zu tun hat. In der Kirchengeschichte sahen sich berühmte Protestanten wie Adolf von Harnack in der Spur des Marcion, nicht aber die katholische Kirche. Auch Paulus hat damit nichts zu tun; denn die empfangene Offenbarung Christi schafft nicht das Gesetz ab, sondern lässt es innerlich im Geist neu verstehen, so dass Paulus Gottes Sohn „unter den Heiden“ verkünden kann (Gal 1,12-16). Paulus-Ikone auf dem Holz von Munitionskisten aus dem am 24. Feburar 2022 begonnenen Ukraine-Krieg vom Künstlerpaar Sonya Atlantova und Oleksandr Klymenko (Ausstellung in Stuttgart, Haus der kath. Kirche).
Etwa im Jahr 35 macht der fromme, überaus gesetzestreue Pharisäer Saulus, der die Jesus-Anhänger verfolgt und bei der Steinigung des Stephanus nach seiner großen Verteidigungsrede vor dem Hohepriester dabei ist und „mit dem Mord einverstanden“ war (Apg 8,1), vor Damaskus eine einschneidende Erfahrung: „Als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: ‚Saul, Saul, warum verfolgst du mich?‘ Er antwortete: ‚Wer bist du, Herr?‘ – ‚Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh‘ auf und geh‘ in die Stadt. Dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst.‘ Seine Begleiter standen sprachlos da. Sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemand. Saulus erhob sich vom Boden. Als er aber die Augen öffnete, sah er nichts. Sie nahmen ihn bei der Hand und führten ihn nach Damaskus hinein. Und er war drei Tage blind, und er aß nicht und trank nicht“ (Apg 9,3-9). Der Jesus-Jünger Hananias erfährt in einer Vision, dass Saulus ein „auserwähltes Werkzeug“ Jesu ist: „Er soll meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen. Ich werde ihm auch zeigen, wieviel er für meinen Namen leiden muss“ (Apg 9,15f). Hananias legt Saulus die Hände auf, dieser wird vom Heiligen Geist erfüllt, kann wieder sehen und lässt sich taufen (Apg 9,17f) – und wird fortan als ‚verspäteter‘ Apostel das Evangelium von Jesus als Messias und Erlöser der Welt „gemäß der Schrift“ und der Überlieferung der Kirche verkünden (vgl. 1 Kor 15,1-10). Für seine Art der Verkündung des Evangeliums ohne Bindung an jüdische Vorschriften wie Essensregeln und die Beschneidung holt er die Bestätigung durch die „Säulen“ Petrus, Jakobus und Johannes ein: „Ich wollte sicher sein, dass ich nicht vergeblich laufe oder gelaufen bin“ (Gal 2,2.9). Mit dem Apostelkonzil (Apg 15,1-35) war die Freiheit der Heidenchristen vom jüdischen Gesetz anerkannt worden, ungeklärt blieben die Fragen zur Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen. Als Petrus, Barnabas und andere dem Druck der Judenchristen nachgaben und die Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen aufkündigen, kritisiert das Paulus als „Heuchelei“ (Gal 2,13). Erst allmählich öffnen sich die Judenchristen den Gläubigen aus den heidnischen ‚Völkern‘; indem Jesus aus dem Eiferer ‚Saulus‘ den treuen ‚Paulus‘ macht, hat er ihnen den Weg dazu gewiesen.
Bild: Das Hochfest Epiphanie, Erscheinung der Herrlichkeit des Herrn, am 6. Januar ist ein zweites Weihnachtsfest, das mehr die göttliche Macht und königliche Herrlichkeit Jesu in den Vordergrund rückt und weniger seine menschliche Niedrigkeit und Demut bei seinem ‚Abstieg‘ in das sterbliche Fleisch der Menschheit in der Krippe bis zum Tod am Kreuz. Dabei geschieht nach Joseph Ratzinger schon die Hochzeit von Gott und Mensch „in der Menschwerdung im Schoß Marias“, die dann ausgeweitet wird auf die ganze Geschichte: „Der Herr will ‚alle an sich ziehen‘ (Joh 12,32), damit schließlich ‚Gott alles in allem‘ sei (1 Kor 15,28). Die Stunde Jesu … ist die Stunde der Hochzeit. Auf diese Stunde geht er zu, für sie ist er da. … Sie erreicht ihren Höhepunkt am Kreuz, das Johannes immer als den Augenblick der Verherrlichung Jesu bezeichnet“ (Predigt in Fatima, 13. Okt. 1996). Orthodoxe Darstellung des Kreuzes mit Maria, Hügel Cerre San Cristóbal, Santiago de Chile.
Im Johannesevangelium ist das erste von sieben „Zeichen“, die Jesus wirkt, die Verwandlung von ca. 600 Litern Wasser in Reinigungskrügen in wohlschmeckenden Wein auf der Hochzeit zu Kana (Joh 2,1-11). Auf den für die Hochzeitsleute peinlichen Mangel an Wein macht Maria ihren Sohn aufmerksam; sie erscheint im vierten Evangelium nur hier und dann wieder unter dem Kreuz, wo ihr Jesus seinen (namenlosen) Lieblingsjünger als „Sohn“ und diesem Maria als „Mutter“ anvertraut (Joh 19,26f). Auch durch das Motiv der „Stunde“, die bei der Hochzeit zu Kana noch nicht gekommen ist (Joh 2,4), sondern erst mit dem Tod am Kreuz kommt, sind beide Szenen eng aufeinander bezogen. Benedikt XVI. erklärte in seiner Predigt am Wallfahrtsort der Schwarzen Madonna von Altötting (11. Sept. 2006): Jesus „wirkt ein Zeichen, mit dem er seine Stunde ankündigt, die Stunde der Hochzeit, die Stunde der Vereinigung zwischen Gott und Mensch. Er ‚macht‘ nicht einfach Wein, sondern er verwandelt die menschliche Hochzeit in ein Bild des göttlichen Hochzeitsfestes, zu dem der Vater durch den Sohn einlädt und in dem er die Fülle des Guten schenkt, die in der Fülle des Weines dargestellt ist. Die Hochzeit wird zum Bild jenes Augenblickes, in dem Jesus die Liebe bis zum Äußersten führt, seinen Leib aufreißen lässt und sich so für immer uns schenkt, Einheit mit uns wird – Hochzeit zwischen Gott und Mensch. Die Stunde des Kreuzes, die Stunde, von der das Sakrament kommt, in dem er wirklich sich uns mit Fleisch und Blut gibt, seinen Leib in unsere Hände und unser Herz legt – das ist die Stunde der Hochzeit. (…) Jesu Stunde ist noch nicht da, aber im Zeichen der Verwandlung von Wasser in Wein, im Zeichen der festlichen Gabe nimmt er seine Stunde jetzt schon vorweg. Seine ‚Stunde‘ ist das Kreuz. Seine endgültige Stunde ist seine Wiederkunft“ („Du bist voll der Gnade“, 2022, 17). Bei seiner Wiederkunft „in großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels“ wird auch „das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen“ (Mt 24,30), das Kreuz, in dem Jesus den neuen und ewigen ‚hochzeitlichen‘ Bund geschlossen und mit seinem „Blut des Bundes“ (Mt 26,28; Ex 24,8) besiegelt hat. Der Bund Gottes mit dem erwählten Volk Israel ist von Anfang an ein Bund der hochzeitlichen Liebe und Gott ein ‚eifersüchtiger‘ Liebhaber (vgl. Joh 2,17: Jesu Tempelreinigung), dessen Eifer Ausdruck seiner Bundestreue ist, die er auch von Israel und dann von der Kirche verlangt, repräsentiert in Maria.
Bild: In dem 60-Seelen-Dorf Porto Eden im Süden von Chile steht vor der kleinen Kirche diese einfache Krippe aus Pappmaschee mit dem Christkind, Maria und Josef, Ochs und Esel und im Hintergrund den Heiligen Drei Königen, die dem armen Krippenkind ihre Schätze darbringen. Sie wurden geführt vom Stern (über dem Stall); denn sie stehen für die Heidenvölker, die nach Jes 60,6 mit „Weihrauch und Gold“ zum gesegneten Jerusalem pilgern: „Denn siehe, Finsternis bedeckte die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir (Jerusalem) geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz“ (Jes 60,2f) – ein Text, der am Hochfest Epiphanie (6. Januar) gelesen wird. Die Heiden gelten den Juden als „Sternenanbeter“, die bestimmt sind von den Sternbildern, während Israel davon befreit ist. Schon das Kind in der Krippe vereint im Neuen Bund Juden und Heiden, repräsentiert durch Ochs und Esel.
Paulus beschreibt das, was der Herrn Jesus Christus „in seiner Liebe getan hat“, so: „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Der Mensch in seiner Doppel-Natur von Geistseele und Leib, Geist und Materie, ist zugleich reich und arm, königlich-frei und gleich den Tieren den Gesetzen der Natur unterworfen. Das harmonische Zueinander beider Seite ist durch den Sündenfall gestört und wird durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes wiederhergestellt. Erst diese Einheit ermöglicht die Liebe in ihrem Wesen, die sakramental für alle erschlossen wird im Liebesmysterium des Kreuzes, wo sich der Sohn Gottes zutiefst seines Gottseins und damit seines ewigen Reichtums entäußert (Phil 2,6-11). Das Seiende, sagt der Philosoph Ferdinand Ulrich, konstituiert sich aus dem Seinsakt und der den Akt empfangenden potentiellen und so begrenzenden Wesensform; ersteres wird durch den Mann, letzteres durch die Frau repräsentiert, dies aber so, „dass sich Reichtum und Armut, Seinsakt und potenzielles Wesen, personale Aktion und Passion, Macht und Dienst, Herrschaft und Huld nicht einseitig auf Mann und Frau hin verteilen oder besondern lassen, so dass beide ihre ‚Einheit‘ durch gegenseitige Selbstauflösung in den Anderen hinein gewinnen müssten. Auch und gerade in der Ehe entbergen sich die Partner nicht in bloßer Trennung von: Sein (Mann) und nichtigem, potenziellem Wesen (Frau) oder umgekehrt; vielmehr sind beide je an ihnen selbst reich und arm zugleich, soll überhaupt von einem liebenden Verhältnis und nicht von einer Herr-Knecht-Dialektik die Rede sein. M. a. W.: das freie Verhältnis der ehelichen Partner basiert immer auf der recht verstandenen ‚Eigenständigkeit‘ der Freiheiten, die einander begegnen; d. h. auf ihrer ‚Jungfräulichkeit‘. Andernfalls endet der mitmenschliche Bezug in der Begierde, in der der Mann die fehlende Armut seines Nur-Reichtums durch die Frau und diese den ihr ermangelnden, aber sie bestimmenden ‚Akt‘ im Manne sucht. Beide halten dann, je in ihrer Daseinsform, gegeneinander getrennt, an sich selbst fest und versuchen: durch einander ihre monadische Existenz aufzubrechen, um sich dadurch als entäußerte, d. h. allererst jetzt ‚befreite‘ Freiheiten zu behaupten“ (Der Mensch als Anfang, 1970, 51f). Schon das Wesen des Kindes ist „personaler Sym-bolos der Einheit von Reichtum und Armut des geschaffenen Seins als Liebe“ (140) – ein Paradox; erst recht das göttliche Kind in der Krippe.
Bild: Nach Jan-Heiner Tück ist „die Erwartung des Kommens des Herrn heute … beinahe erloschen. Sie kommt zwar in der eucharistischen Liturgie vor, wenn es heißt: ‚bis er kommt in Herrlichkeit‘. Aber im Leben der Gläubigen spielt die Erwartung kaum eine Rolle. (…) Das Büro der Geschichtstheologie ist geschlossen“ (katholisch.de, 17. Nov. 2023). An die Wiederkunft Christi erinnert immer die Zeit des Advent; denn die ‚erste Ankunft‘ des ewigen Wortes Gottes im Fleisch der Menschheit weist hin auf die ‚zweite Ankunft‘ Jesu, der kommen wird „zu richten die Lebenden und die Toten“ (Credo). Nach Paul Evdokimov ist auch jede Eucharistie am Sonntag als Tag der Auferstehung Jesu „auch Vorausnahme und Verkündigung der Wiederkunft, wenn das ganze All im Feuer der endlichen Verklärung ewige Eucharistie wird“ (Das Gebet der Ostkirche, 1986, 33). Bei Jesu Himmelfahrt wird den Jüngern gesagt: „Dieser Jesus … wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen“ (Apg 1,11). Goldene Pforte, Mosaik des Jüngsten Gerichts (Ausschnitt), Veitsdom, Prag.
Bei Pierre Teilhard de Chardin (1881– 1955) spielt die Wiederkunft oder Parusie Jesu in der Vision der ‚hochzeitlichen‘ Einheit von Gott und Welt eine entscheidende Rolle. Christus ist als ‚Punkt Omega‘ der Schöpfung (vgl. Offb 22,13) der entscheidende Mittler, nach Medard Kehl letzter Konvergenz- und Zielpunkt der ganzen „evolutionären Geschichte des Universums und der Menschheit...; als ihr Ziel ist Christus darum immer schon die innerste, alles unwiderstehlich anziehende und vorantreibende Dynamik von Kosmos und Geschichte (klassisch: die causa finalis, die Zielursache der Schöpfung)“. Die in der Wiederkunft vor aller Welt offenbar werdende Herrschaft Christi ist so keine äußerliche, „bloß moralische oder juridische Herrschaft … von außen und von oben“, sondern eine alles zusammenführende und alles innerlich durchdringende und beseelende als „Sammler aller biologischen und geistigen Energien“ (Und Gott sah, dass es gut war, 2006, 329-331: Zur Schöpfungsspiritualität von Pierre Teilhard de Chardin, 329f). Nach Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz stürzen in der Vision Teilhards vom ‚Punkt Omega‘ Christus und Universum im Bild von Feuer (Sonne) und Erde aufeinander zu: „Nicht allein der Mensch, geschweige nur die Seele, vielmehr die gesamte Erde wird nach Teilhard erlöst, gelöst, in die Teilhabe nicht nur, sondern in die Verwandlung ins göttliche Fleisch und Feuer einbezogen“ („Sohn der Erde“: Teilhard de Chardin, in: IKaZ 34 [2005] 474-480, 479). Teilhard ist ‚Prophet der Wiederkunft‘ und Apokalyptiker in dem Sinn, dass er sehnsüchtig die Wiederkunft Christi auf die Erde erwartet: „Was haben wir Christen, die wir nach Israel den Auftrag haben, auf der Erde die Flamme der Sehnsucht immer lebendig zu erhalten, was haben wir zwanzig Jahrhunderte nach der Himmelfahrt aus dieser Erwartung gemacht? (…) Wir haben die Wachtfeuer in unseren entschlafenen Herzen ausgehen lassen. (…) Vielleicht klingt manches von den Worten Teilhards deswegen so ‚weltfremd‘, weil dieser immer noch rituell gebetete Glaubensartikel von der Wiederkunft Christi tatsächlich keine reale Aussage mehr darstellt, nicht mehr als wirkende Wirklichkeit geglaubt wird. Ist es dem Gedächtnis der Christenheit nicht einfach entfallen?“ (479). An die Wiederkunft erinnert jeder Advent, und in jeder Feier der Eucharistie am Sonntag (‚achten Tag‘) geschieht die Parusie sakramental-real.
Bild: Am Hochfest Allerheiligen (1. Nov.) gedenkt die Kirche aller Gläubigen, die durch Taufe und Firmung zur Heiligkeit berufen sind: „In den verschiedenen Verhältnissen und Aufgaben des Lebens wird die eine Heiligkeit von allen entfaltet, die sich vom Geist Gottes leiten lassen und, der Stimme des Vaters gehorsam, Gott den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten und dem armen, demütigen, das Kreuz tragenden Christus folgen und so der Teilhabe an seiner Herrlichkeit würdig werden“ (LG 41). Heilige mit ihrem Siegeskranz in den Händen gehen dem wiederkommenden Christus entgegen – Fresko (Ausschnitt) in S. Apollinare Nuovo in Ravenna, Italien.
Heiligkeit und Gerechtigkeit sind die Urausstattung des nach dem Bild Gottes geschaffenen Menschen im Garten Eden; mit dem Sündenfall wird diese Gottähnlichkeit ‚entstellt‘, der durch die ‚Erbsünde‘ bestimmte Mensch „ermangelt der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit, aber die menschliche Natur ist nicht durch und durch verdorben, wohl aber in ihren natürlichen Kräften verletzt. Sie ist der Verstandesschwäche, dem Leiden und der Herrschaft des Todes unterworfen und zur Sünde geneigt“ (KKK 405). Die ‚Erbsünde‘ betriff die Natur des Menschen, denn Gott „hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen“ (Apg 17,26); Petrus Chrysologus erklärt: „Der heilige Apostel Paulus spricht von zwei Menschen, von denen das Menschengeschlecht abstammte: von Adam und von Christus“ (sermo 117; vgl. KKK 359). Wegen der Erbsünde sind Glaube und Taufe heilsnotwendig: „Indem die Taufe das Gnadenleben Christi spendet, tilgt sie die Erbsünde und richtet den Menschen wieder auf Gott aus, aber die Folgen für die Natur, die geschwächt und zum Bösen geneigt ist, verbleiben im Menschen und verpflichten ihn zum geistlichen Kampf“ (KKK 405). Paulus fordert Timotheus auf: „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens, ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist…“ (1 Tim 6,12). Im 2. Timotheusbrief, der den Charakter eines Testaments hat, sagt Paulus: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten“ (2 Tim 4,7f). In Eph 4,24 werden die Taufbewerber aufgefordert: „Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Dazu ist der ‚alte Adam‘ zuerst ‚auszuziehen‘, die ‚animalische Natur‘ des Menschen (im Sinnbild des „Tierfells“ für Adam und Eva: Gen 3,21). In der alten Kirche zertraten die Taufbewerber bei der Einweihung ins Christsein die Laster ihres früheren ungläubigen oder ‚fleischlichen‘ Lebens, indem sie sich barfuß auf eine Tunika aus haarigem Tierfell stellten: „Sie gemahnte an die Bekleidung unserer Stammeltern nach dem Sündenfall; sie war auch ein genaues Bild der gefallenen Natur, die Christus, der neue Adam, angezogen hatte, um sie zu erheben und in ein neues Gewand zu verwandeln“ (F. van der Meer, Augustinus der Seelsorger, 1983).
Bild: Maria, die neue Eva, neigt ihr rechtes Ohr zur Botschaft des Engels, dass sie den Sohn Gottes, vom Heiligen Geist ‚überschattet‘, zur Welt bringen soll. Im Mittelalter war die Vorstellung
der conceptio per aurem (Empfängnis des Wortes Gottes durch das Ohr) verbreitet. Josef Imbach schreibt zum Engelsgruß im Kreuzgang zum Dom von Brixen (14. Jh.): „Gemäß der biblischen
Überlieferung hat Eva auf die Einflüsterungen der Schlange gehört. Was Bischof Zeno von Verona im 4. Jh. zu einer kühnen Schlussfolgerung veranlasste: ‚Durch Überredung hatte sich der Teufel in
Evas Ohr eingeschlichen; durch das Ohr trat mithin Christus in Maria ein‘ “ („Weder
Schönheit noch Frömmigkeit“, NZZ,
24. Dez. 2010).
Nach Caterina von Siena (14. Jh.), die ihre geistlichen Einsichten in ihrem Hauptwerk Dialog von der göttlichen Vorsehung niederschrieb, „das der Heilige Geist durch den Mund der Jungfrau [Caterina] diktiert hat“ (Einleitung), hat der Gläubige in der Taufe den vom gekreuzigten Jesus, dem neuen Adam, „im Feuer der göttlichen Liebe“ gereinigten und vollkommen wiederhergestellten „Schlüssel des Gehorsams“ empfangen; ihn hat Adam in seiner ‚Ursünde‘ „in den schmutzigen Kot“ geworfen und „mit dem Hammer des Hochmuts“ verbogen. Dabei komme es darauf an, selbst im Glauben gehorsam zu sein und sich so den durch Adam verlorenen ‚Himmel‘ neu zu erschließen; denn: „Ich (Gott) habe euch ohne euch geschaffen … Doch ich werde euch nicht ohne euch erlösen“ (Kap. 155). Die Mitwirkung an seiner Erlösung fordert Gott auch von Hiob, der durch Leiden an der ‚Vorhaut‘ seines Herzens beschnitten wird, „Haut um Haut“ (Ijob 2,4). Am Ende seines Leidensprozesses erkennt er: „Vom Hören des Ohres nur hatte ich von dir gehört; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut“ (Ijob 42,5); Ludger Schwienhorst-Schönberger kommentiert: „Das Ijob-Problem und damit das Grundproblem des menschlichen Lebens, welches nichts anderes ist als ein Lauf in den Tod (vgl. Ijob 7,6f), ist nicht vom Hörensagen her zu lösen. Zwar wird der Glaube vor allem über Erzählen und Hören, über narrativ eingekleidete rituelle Handlungen tradiert. Ohne Tradition und ohne die Weitergabe ‚religiöser Wahrheiten‘ kann keine Religion auf Dauer bestehen. Doch die religiösen Wahrheiten verweisen nicht auf sich selbst. Sie sind kein Selbstzweck. Sie wollen letztlich einen Weg in die Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit weisen. Wo sie dies nicht mehr tun, widersprechen sie ihrem eigenen Selbstverständnis. Daran sind die Freunde Ijobs gescheitert, darum werden sie von Gott getadelt (Ijob 42,7)“ (Ijobs Weg durch die dunkle Nacht, in: IKaZ 51 [2022] 620-632, 631). Die Gottesschau, die Hiob am Ende geschenkt wird, entspricht dem, „was Jesus denen verheißen hat, die ‚reinen Herzens sind‘ (Mt 5,8)“: Hiob „ist den Weg des Glaubens zu Ende gegangen und ein Schauender geworden“. Hiob selbst legt nach seiner Gottesschau die Hand auf seinen Mund (Ijob 40,4; vgl. 25,5; 29,9). Diese Geste begegnet in der altorientalischen Bildkunst „auch als Ausdruck des Gebetes. Hier scheint das Gebet vor allem eine Haltung des Hörens zu sein. Am Ende wird auch Ijob, nachdem er Gottes Wort vernommen hat, zu einem Hörenden“ (Ludger Schwienhorst-Schönberger, Ein Weg durch das Leid. Das Buch Ijob, 2007, 9; 265; 121).
Bild: Am 7. Oktober wird in der Liturgie der katholischen Kirche das „Fest der allerseligsten Jungfrau Maria vom Rosenkranz“ (Rosenkranzfest) gefeiert. Es wurde von Papst Pius V. zum Dank für den Sieg der christlichen Flotte in der Seeschlacht von Lepanto (1571) gestiftet und wird am 1. Sonntag im Oktober begangen. Papst Leo XIII. machte den ganzen Oktober zum Rosenkranz-Monat. Die Gegenwart Gottes war im Alten Bund eng mit der Bundeslade verbunden, im Neuen Bund hat „das Symbol nunmehr der Wirklichkeit Platz gemacht. So sagt uns das Neue Testament, dass die wahre Lade des Bundes eine lebendige und konkrete Person ist: die Jungfrau Maria. Gott wohnt nicht in einem beweglichen Möbel, Gott wohnt in einer Person, in einem Herzen: in Maria, die den menschgewordenen ewigen Sohn Gottes, Jesus, unseren Herrn und Erlöser, in ihrem Schoß getragen hat“ (Bendikt XVI., Die Offenbarung des Johannes, 39). Muttergottes des Rosenkranzes aus der Werkstatt von Andrea Brustolon (gest. 1732) in der Kirche von Abtei/Alta Badia (18. Jh.), Südtirol.
Die goldene Bundeslade, die Mose nach göttlicher Anweisung für die Bundesurkunde mit dem Dekalog erbaut (Ex 25,10-22), begleitet die Israeliten auf ihrem 40-jährigen Wüstenzug; beim Einzug ins Gelobte Land durch den Jordan zieht sie dem Volk voran: „Sobald die Füße der [levitischen] Priester, die die Lade tragen, des Herrn der ganzen Erde, im Wasser des Jordan stehen, wird das Wasser des Jordan, das von oben herabkommt, wie abgeschnitten sein und wie ein Wall dastehen“ (Jos 3,13). Voraussetzung für die Landnahme ist das Zeichen der Beschneidung, die Josua vornehmen muss, weil alle Männer nach dem Auszug aus Ägypten inzwischen in der Wüste verstorben waren: „Weil sie nicht auf die Stimme des Herrn gehört hatten“, hatte der Herr „ihnen geschworen, er werde sie das Land nicht schauen lassen, dass er ihren Vätern mit einem Eid zugesichert hatte…“ (Jos 5,6). Der Beschneidung des Fleisches entspricht christlich die ‚Kreuzigung‘ des Fleisches in der Taufe als Zeichen des neuen Bundes, als ‚Mitgekreuzigt-werden‘ des ‚alten Adam‘ und Leben im ‚neuen Adam‘ der Auferstehung (Röm 6,6-11). Die von den Philistern erbeutete Lade wird von ihnen schnell zurückgegeben, weil sie ihnen nur Unheil bringt (1 Sam 5–6); König David überführt sie unter Jubel und Tanz nach Jerusalem und stellt sie in die Mitte des Zeltes (2 Sam 6,1-17). Beim Besuch der mit Jesus schwangeren Maria bei der sechs Monate früher schwangeren Elisabeth ‚hüpft‘ ihr Kind, Johannes der Täufer, „vor Freude“ in ihrem Leib; Elisabeth preist Maria selig, weil sie „geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,41-45). Maria erscheint so als die lebendige Bundeslade und Jesus als der lebendige Dekalog. Bei der Dogmatisierung der ‚Himmelfahrt‘ Mariens durch Pius XII. mit der Bulle Munificentissimus Deus am Allerheiligenfest 1950 war ein ‚Schriftbeweis‘ für den neuen, auf älteste Überlieferungen zurückgehenden Glaubenssatz die ‚Unverweslichkeit‘ des Akazienholzes als Baumaterial für die Bundeslade (Ex 25,10); zudem sah man den Glaubenssatz angedeutet in Ps 132,8: „Erhebe dich, o Herr, zu deiner Ruhestatt, du und deine heilige Lade!“ In Offb 11,19 wird die Lade im offenen Himmel sichtbar, direkt danach erscheint das „große Zeichen am Himmel“ von der apokalyptischen Frau, die schwanger ist und von dem „roten Drachen“ und der „alten Schlange“ verfolgt wird (Offb 12,1f.9). Im Alten Bund bringt Salomo die Lade mit den zwei steinernen Tafeln des Bundes in den von ihm erbauten Tempel, wo sie ein letztes Mal eigens genannt wird (1 Kön 8,1-13.21; 2 Chr 5,2-10).
Bild: Das Neue Testament spricht an etwa 150 Stellen von Engeln, sie sind „die Erwecker des mystischen Lebens in der Kirche“ (Erik Peterson, Das Buch von den Engeln, 66). Als Mittler zwischen Gottes Transzendenz und Immanenz dürfen Engel im Raum der Kirche im Kontext der Schöpfung von Himmel und Erde, unsichtbarer und sichtbarer Welt, nicht fehlen; Thomas Hürlimann kritisiert zu Recht: „Was Religion und Theologie aufgeben, wurde über Nacht zum literarischen Topos. Etwas Ähnliches [wie mit dem Kreuz] geschah ja auch mit den Engeln. Nachdem sie selbst bei kleinen Kindern aus den Nachtgebeten verschwinden mussten, fielen sie in den Satanischen Versen von Salman Rushdie vom Himmel“ („Feuerschlag des Himmels“. Über die Anstößigkeit des Kreuzes, in: IKaZ 46 [2017] 163-175, 163). Zur Jungfrau Maria kommt der Erzengel Gabriel am 25. März, dem alten Datum der Tagundnachtgleiche. Bei der Reform des Festkalenders hat man den Festtag für Gabriel (24. März) und Raphael (24. Okt.) mit dem für Michael (29. Sept.) zusammengelegt, was zeigt, dass die kosmischen Zusammenhänge nicht mehr bewusst sind. Altar St. Michael, Innichen, Pustertal.