Papst-Schreiben: Vier Träume für ein Amazonien

Bild: Im „Paradiesgärtlein“ eines Oberrheinischen Meisters (ca. 1410–1420, Städel Museum Frankfurt/M) ist Maria als neue Eva mit ihrem Sohn zu Füßen im messianischen Frieden; Papst Franziskus nennt Maria in seinem Schreiben „Mutter des Lebens“ und „Mutter aller Kreatur“, ein Titel, den Adam für Eva verwendet (Gen 3,20).

 

Keine Lockerung des Zölibats, keine Diakoninnenweihe, schon gar keine Priesterinnenweihe – Papst Franziskus enttäuscht auf ganzer Linie, zumindest jene, die sich vom Nachsynodalen Schreiben Wasser auf ihre Mühlen der ‚Kirchenreform’ erhofft hatten. Statt Lehramtliches vier „Träume“ von einem sozialeren, kulturell reichen, naturnahen und kirchlicheren Leben in Amazonien. „Das geliebte Amazonien“ (Querida Amazonia) lautet der Titel des am 12. Februar  2020 veröffentlichten Lehrschreibens.

 

„Das geliebte Amazonien“: Querida Amazonia

Das Dokument enthält wenig Lehramtliches, dafür viele Gedichte und viel Weisheitliches in einer poetischen, auch prophetischen Sprache, die dazu einlädt, die Schönheit der durch Raubbau bedrohten Schöpfung und die Verschönerung der Kirche dank der Begegnung mit der indigenen Kultur und ihrer kosmischen Spiritualität zu entdecken.

Am Schluss steht ein eindringliches Gebet zur Gottesmutter Maria als „Mutter des Lebens“ und „Mutter aller Kreatur“, ein Titel, den Adam seiner Frau Eva nach dem Verlust des Paradieses gibt (Gen 3,20), der hier aber mit Bezug auf das unvergängliche Leben der Gnade Christi gebraucht wird, die sich auch im Aufblühen der äußeren Natur als fruchtbar erweist. In Maria steht die Tür zum ‚schönen Paradeis’ wieder offen, sie selbst ist Porta coeli: die Tür zum Himmelreich.

Weil Maria als ‚neue Eva’ zu verstehen ist wie die Kirche auch (2 Kor 11,2), deren Urbild und Mutter sie ist, deshalb ist die Fleischwerdung des ewigen Wortes analog zum hochzeitlichen ‚Ein-Fleisch-sein’ im Paradies (Gen 2,24) das ‚hochzeitliche’ Mysterium der Ein-Fleisch-werdung von Christus und seiner Kirche (Eph 5,31f): Christus als Urbild des Mannes und Maria beziehungsweise die Kirche als Urbild der Frau bilden sakramental eine untrennbare Einheit.

 

Eine Kirche, die der Kühnheit des Geistes Raum gibt

Stefan Kempis von Vatican News stellt klar: „Die Tür für die Priesterweihe von verheirateten Männern ist im Pontifikat von Papst Franziskus zu.“ Andere glauben, dass die Diskussion noch weitergehen wird. Bei der Priesterinnenweihe aber dürfte die Tür definitiv zu sein. Papst Franziskus will diesen Weg nicht gehen, sondern er verweist darauf, dass die Begabung der Frau durch den Heiligen Geist analog zu Maria auf einem anderen Gebiet liegt, nämlich der missionarischen Ausbreitung des christlichen Glaubens durch Bezeugung der Menschenliebe und -nähe Gottes im konkreten Alltag: „Lasst uns furchtlos sein, stutzen wir dem Heiligen Geist nicht die Flügel“ (69).

Die Präsenz der katholischen Kirche in Amazonien ist insbesondere „starken und engagierten Frauen zu verdanken, die, gewiss berufen und angetrieben vom Heiligen Geist, tauften, Katechesen hielten, den Menschen das Beten beibrachten und missionarisch wirkten“  (94; 99). Franziskus möchte eine Kirche, die „der Kühnheit des Geistes Raum“ gibt, um „vertrauensvoll und konkret die Entwicklung einer eigenen kirchlichen Kultur zu ermöglichen, die von Laien geprägt ist“ (94). Also gerade keine Kleriker-Kirche, sondern eine Neubewertung der Charismen des Geistes, die in Taufe und Firmung allen Gläubigen gleichermaßen zuteil werden, wenn auch in unterschiedlichen ‚Be-gabungen’.

„Eine Kirche mit amazonischen Gesichtszügen erfordert die stabile Präsenz reifer und mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteter Laien-Gemeindeleiter, die die Sprachen, Kulturen, geistlichen Erfahrungen sowie die Lebensweise der jeweiligen Gegend kennen und zugleich Raum lassen für die Vielfalt der Gaben, die der Heilige Geist in uns sät. Denn dort, wo eine besondere Notwendigkeit besteht, hat der Heilige Geist bereits für die Charismen gesorgt, die darauf antworten können“ (94).

Charismen gelten im Unterschied zu den Weiheämtern gleichermaßen für getaufte Männer wie Frauen, wobei der Begriff ‚Laie’ eigentlich unpassend ist, weil er heute als ‚Nicht-Fachmann’ verstanden wird, im kirchlichen Sprachgebrauch aber ‚zum (Gottes-)Volk (griech. laos) gehörig’ bedeutet. Durch die Taufe haben auch alle ein ‚Weihe’ erhalten und die ‚Salbung’ des Heiligen Geistes, so dass sie ‚Christen’ sein können, das heißt ‚Gesalbte’ in Einheit mit dem einen Gesalbten: Christus.

 

„Die Amtskirche spricht weiterhin Frauen gleiche Rechte ab“

Die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz und Missionsschwester vom Kostbaren Blut, Anna Mirijam Kaschner, sagte, sie sei „sehr froh über diese klaren Worte des Papstes zum ‚eigenen Charisma’ der Frau. In der Diskussion über das Priestertum der Frau, die ja zum Teil sehr vehement geführt wird, und sich auch in der Bewegung Maria 2.0 ausdrückt, empfinde ich den ‚Weihe-Neid’ der Frauen als entwürdigend. Ich möchte meine Stellung und meinen Wert als Frau in der Kirche nicht davon abhängig machen müssen, ob ich geweiht werden kann oder nicht. Ich denke, dass es unbedingt einer Stärkung der Rolle der Frau innerhalb der Kirche bedarf, insbesondere in Bezug auf die Öffnung von Leitungsämtern und -diensten für Frauen“ (Interview mit Domradio Köln, 12. Febr. 2020).

 

Dagegen reagierte die Theologin und stellvertretende Bundesvorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands, Agnes Wuckelt, wütend auf das Papstschreiben: Es sei „unerträglich, dass die Amtskirche weiterhin Frauen gleiche Rechte abspricht und sie aus biologistischer Argumentation heraus zu Dienstleisterinnen degradiert“. Die Mitgründerin der Bewegung „Maria 2.0“, Lisa Kötter, erklärte zur geforderten Frauenweihe, sie sei ohnehin nur eine „Zwischenlösung“ und „Minderung der Ungerechtigkeit“, sie wünsche sich im Letzten eine Kirche ohne Hierarchien: „Ich sehe nicht, dass Jesus überhaupt eine Priesterschaft aufbauen wollte“ („Die Zeit war reif“, Publik-Forum, 16. Febr. 2020).

 

Der Kolumnist der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, sprach im Zusammenhang mit Maria 2.0 von einer ‚Nachholung der Reformation’. Das sehen die Kardinäle Rainer Maria Woelki (Köln) und Gerhard Ludwig Müller ähnlich im Hinblick auf den auf zwei Jahre angelegten „Synodalen Weg“ der Deutschen Bischofskonferenz und der Vertreter des deutschen Verbandskatholizismus (ZdK). Woelki kritisierte nach der ersten Synodalversammlung (Jan. 2020) eine ‚Protestantisierung’ der katholischen Kirche. Müller lobte das päpstliche Schreiben als ein „Dokument der Versöhnung“ von prophetischer Kraft; es betone „die christologische Mitte der Kirche und den universalen Missionsauftrag, um jeden Gedanken einer Reduktion der Kirche auf eine politische oder humanistische Organisation nach der Art eine NGO den Boden zu entziehen“:

 

„Die Ausrichtung auf die Endzeit und die Wiederkunft Christi als Richter und Retter am Ende der Welt schließt die Kooperation am Aufbau seines Reiches ebenso ein wie den Protest und den Kampf gegen das Inhumane, Menschenverachtende und Ausbeuterische des alten und neuen Kolonialismus. Davon können die Ureinwohner Amerikas ein Klagelied singen, das zum Himmel schreit. Auch wir hören den ‚Schrei der Amazonas-Region’, weil wir zu demselben Volk Gottes gehören“ (DT, 14. Febr. 2020, Thema der Woche).

 

Papst Franziskus seinerseits bedankte sich handschriftlich in einem Brief an den „lieben Bruder“ (Querido hermano) für dessen Kommentar zu „Querida Amazonia“: „der hat mir gefallen“ (Corriere della Sera, 16. Febr. 2020). In seinem Schreiben bestärkt der Papst die Mitverantwortung der Laien an der Sendung der Kirche; die Präsenz der Kirche in Amazonien sei insbesondere „starken und engagierten Frauen zu verdanken, die, gewiss berufen und angetrieben vom Heiligen Geist, tauften, Katechesen hielten, den Menschen das Beten beibrachten und missionarisch wirkten“  (99).

 

 

Gehorsam des priesterlichen Amtes als „Sklaven“-Dienst

Die Gottebenbildlichkeit von Frauen und Männern begründet theologisch die gleiche Würde, doch daraus folgen nicht die gleichen Rechte (und Pflichten), wobei das besondere Weihepriestertum gar kein Recht ist, vielmehr gilt: Jeder (Hohe-)Priester „wird von Gott berufen, so wie Aaron“ (Hebr 5,4); der Neutestamentler Klaus Berger schreibt:

 

„Bei der Berufsentscheidung für den Dienst als Priester geht es nicht um Vorlieben oder Begabungen, sondern um das, was der Herr von mir will. Das ‚Menschenrecht der freien Berufswahl’ gilt weder vor noch nach der Weihe. Das Verhältnis gegenüber dem Dienstherrn ist bestimmt durch dessen Nötigung. Gegen jedes Menschenrecht verstoßen nicht nur Riten wie die prostratio [Niederwerfung des Priesters bei seiner Weihe] vor dem Altar, sondern auch der lebenslängliche Gehorsam, Zölibat und Ausschluss von Frauen. (…) Kein Mensch hat ein Anrecht auf irgendeine Art von Amt, Berechtigung, Weihe oder Vollmacht, und so ist es auch mit der biblischen Kategorie der Erwählung“ (Charisma ist kein Menschenrecht).

 

Jesus beruft als „Meister“ alle in seiner engeren Nachfolge zum gehorsamen „Sklaven“-Dienst der ‚Fußwaschung’ der Jünger (Joh 13,13f; vgl. Mk 10,43-45). Ebenso verspricht bei einer Priesterweihe der Kandidat seinem Bischof lebenslangen ‚Gehorsam’. Jesus verlangt ihn von Petrus, bevor er ihn zum ‚Hirten’ (Pastor) seiner Schafe bestellt (Joh 21,18). Der durch das himmlische Licht und seinen ‚Sturz vom Pferd’ zum Apostel berufene Paulus versteht sich als „Knecht“ beziehungsweise „Sklave Christi Jesu“ (Röm 1,1), auf dem ein „Zwang“ liegt: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16).

Am gegenwärtigen öffentlichen Ethos der Menschenrechte als „Ethos einer möglichst hohen Indeterminiertheit“ ist für den Tübinger Dogmatiker Peter Hünermann positiv, dass es dem Einzelnen erlaubt, „sein eigenes, höher determiniertes Ethos auszubilden… Was aber geschieht, wo der Mensch sich dieser positiven kreativen Aufgabe versagt und nur jeweils auf seinen Freiräumen, seiner Indeterminiertheit beharrt? Es entstehen dann Nivellierungen, dummes Anspruchsdenken, reine Konsumorientierung usw. Auch hier liegen Grenzen dieser Freiheitsgestalt“ (Reich Gottes – Sinn und Ziel der Geschichte, 138). Diese Grenzen ergeben sich aus dem Konzept der angeborenen Menschenwürde, die eben keine Berufung zur Verwandlung durch die Wiedergeburt im Heiligen Geist kennt.

 

Die Versuchung, ganz autonom sein zu wollen

Bei dem Freiburger Theologen Magnus Striet (Das Ende einer Fiktion, in: Christ in der Gegenwart 2/2020, 25f) liegt die Initiative zur Berufung und Erwählung zum priesterlichen Dienst beim Menschen, der sich „kompetent“ fühlt, den Gott, „der keine Ausgrenzung will“, zu vertreten, den Gott, der „Autonomie“ will und nicht „Gehorsam“. Biblisch liegt die Initiative dagegen allein bei Gott beziehungsweise Christus (Joh 15,16); und der will sehr wohl ausgrenzen, nämlich die, die ihm als „Diener“ besonders nahe kommen, indem er sie „heiligt“ in der „Wahrheit“ (Joh 17,17), das heißt aus dem gewöhnlichen profanen und säkularen Lebenszusammenhang herausnimmt, um sie ganz und ungeteilt in seinen Dienst zu stellen, bis dahin, dass sie wie Paulus sagen können: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Darauf hat Papst Benedikt XVI. em. in seinem Beitrag „Das katholischer Priestertum“ in dem Buch von Kardinal Robert Sarah „Aus der Tiefe des Herzens“ hingewiesen (2020), wo er das priesterliche Leben ganz von der heiligen Eucharistie als seiner Mitte her deutet:

„Die Versuchung des Menschen ist es immer wieder, ganz autonom sein zu wollen, nur dem eigenen Willen zu folgen und zu meinen, erst dann seien wir frei; erst in solcher Freiheit ohne Schranken sei der Mensch ganz Mensch. Aber gerade so stellen wir uns gegen die Wahrheit. Denn die Wahrheit ist es, dass wir unsere Freiheit mit den anderen teilen müssen und nur im Miteinander frei sein können. Diese geteilte Freiheit kann wahre Freiheit dann und nur dann sein, wenn wir uns dabei in das Maß der Freiheit selbst, in den Willen Gottes hineinstellen. Dieser grundlegende Gehorsam, der zum Menschsein gehört – einem Sein nicht aus sich selbst und nur für sich selbst – wird beim Priester noch konkreter: Wir verkündigen nicht uns selbst, sondern IHN und sein Wort, das wir uns nicht selber ausdenken konnten. Wir verkünden sein Wort recht nur in der Gemeinschaft seines Leibes. Unser Gehorsam ist Mitglauben mit der Kirche, Mitdenken und Mitsprechen mit der Kirche, Dienen mit ihr.“

Papst Franziskus sagte in seiner Predigt zum Fest Mariä Verkündigung (am 25. März 2014), der Weg des Unheils ist mit dem Ungehorsam Adams und Evas begonnen und vom Gehorsam Marias und ihrem Ja-Wort gegenüber dem Engel und seiner Heilsbotschaft beendet worden. Damit bewegt sich der Papst auf der Linie der Deutung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das in seiner dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium (63) herausstellt: „Im Glauben und Gehorsam gebar sie (Maria) den Sohn des Vaters auf Erden, und zwar ohne einen Mann zu erkennen, vom Heiligen Geist überschattet, als neue Eva, die nicht der alten Schlange, sondern dem Boten Gottes einen von keinem Zweifel verfälschten Glauben schenkte.“

 

Die Mystikerin und Kirchenlehrerin Caterina von Siena (1347–1380) bezeichnet die aus dem Licht des Glaubens hervorgehende Liebe als „die Mutter des Gehorsams“ (Dialogus, Kap. 163). Ihr zufolge hat der Gläubige in der Taufe den vom gekreuzigten Jesus „im Feuer der göttlichen Liebe“ gereinigten und vollkommen wiederhergestellten „Schlüssel des Gehorsams“ empfangen, den Adam „in den schmutzigen Kot“ geworfen und „mit dem Hammer des Hochmuts“ verbogen hat. Dabei komme es darauf an, selbst im Glauben gehorsam zu sein und sich so den durch Adam verlorenen ‚Himmel’ zu erschließen; denn: „Ich (Gott) habe euch ohne euch geschaffen … Doch ich werde euch nicht ohne euch erlösen“ (155).

 

 

„Erwecken wir den ästhetischen und kontemplativen Sinn neu“

Vatikan-Experten sehen im neuen Papstschreiben den „Charme des Widersprüchlichen“.  Einerseits gebe Franziskus „der Not einer ökologisch bedrängten, wirtschaftlich ausgebeuteten, sozial missachteten Bevölkerung seine Stimme“, so der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück; andererseits habe der Papst „entschieden, nicht zu entscheiden“. Richtiger wäre zu sagen: Er hat sich für einen anderen Weg als den der üblichen ‚Reform-Agenda’ entschieden, nämlich der ‚Erweckung’ des geistlichen, prophetischen, ästhetischen und kontemplativen Sinns für die Schönheit Gottes, die Schönheit der Schöpfung und die Schönheit der Kirche als Neuschöpfung. Mit Bezug auf seine Enzyklika Laudato si’ (24. Mai 2015) heißt es in dem Schreiben:

„Erwecken wir den ästhetischen und kontemplativen Sinn neu, den Gott in uns gesetzt hat und den wir zuweilen verkümmern lassen. Erinnern wir uns daran: »Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann.« Wenn wir hingegen mit dem Wald in Gemeinschaft treten, wird sich unsere Stimme einfach mit der seinen verbinden und zum Gebet werden: »Lege dich unter dem Schatten eines alten Eukalyptusbaumes nieder, unser lichtreiches Gebet taucht in den Gesang der ewigen Zweige ein.« Eine solche innere Umkehr wird es uns möglich machen, um Amazonien zu weinen und mit ihm zum Herrn zu rufen“ (56). 

Wie sein Namenspatron betrachtet auch Franziskus die Natur und Schöpfung als theologischen Ort der Gotteserfahrung, als „einen Raum, wo Gott selbst sich zeigt und seine Kinder zusammenruft“ (57). Eine gesunde, nachhaltige und integrale Ökologie gibt es nicht ohne Änderung der Personen und ihres westlichen beziehungsweise auch ‚weltlichen’ Lebensstils, der nicht zuletzt durch großen Fleischkonsum gekennzeichnet ist, was wiederum die Rodung von riesigen Flächen des Regenwaldes zur Folge hat.

 

Änderung des westlichen und weltlichen Lebensstils

Wie der heutige Lebensstil aussieht, zeigt die 2020 mit vier Oscars ausgezeichnete südkoreanische Gesellschaftssatire, bitterböse Klassenkampfkomödie und Parabel auf den Kapitalismus „Parasite“; sie ist Spiegel einer Gesellschaft, die „ihr Maß verloren“ hat: „Gier und Materialismus bestimmen das Verhalten“, so Rüdiger Suchsland (KNA). Letztlich gehe es dem Regisseur Bong Joon-ho „um eine Kritik des westlichen Lebens-, Arbeits- und Konsummodells. Weil der Westen dieses Modell selbst schon lange in Frage stellt, da der westliche Universalismus in der Praxis überaus partikular und oft genau das ist, was man ihm seit langen vorwirft: eine Maske von Eigeninteressen – parasitär.“

Ideologische Grundlage des westlichen Lebensstils ist der technokratische Fortschrittsglaube, der sich aus der Verbindung von Wissenschaft und Praxis herausgebildet hat, zuerst bei dem englischen Philosophen Francis Bacon (gest. 1626). Der christliche Reich-Gottes-Gedanke wirkte sich – in der Neuzeit säkularisiert – Peter Hünermann zufolge zur Herausbildung des Begriffs der ‚Geschichte’ aus bis hin zum „Fortschrittsgedanken von Comte, den Begriff des Systems von Hegel, die Konzeption der kommunistischen Gesellschaft bei Marx“ (Reich Gottes, s. o., 107).

Dieser Fortschrittsglaube hat sich nicht erst heute ins Gegenteil verkehrt. Eugen Drewermann schrieb 1981 das Buch „Der tödliche Fortschritt. Von der Zerstörung der Erde und des Menschen im Erbe des Christentums“. Ohne Bezug zum christlichen ‚Erbe’ formulierte Heinz Althaus 1987: „Der Fortschritt … hat sein Janusantlitz gezeigt: die Bedrohung der Natur und die Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen. (…) Wohin steuert die Geschichte? Zu mehr Humanität oder zur Zerstörung der Erde?“ (Apokalyptik und Eschatologie, 7).

 

Verkündigung und Inkulturation des christlichen Glaubens

Für den Papst kann die ökologische, soziale und kulturelle Situation im Amazonasgebiet und weltweit nicht grundlegend verändert werden ohne „die Option des Glaubens, die wir aus dem Evangelium empfangen haben. (…) ‚Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!’ (1 Kor 9,16)“ (62). Die Verkündigung erfordert dabei immer einen „Prozess der Inkulturation“,

„der nichts von dem Guten, das in den Kulturen Amazoniens bereits existiert, außer Acht lässt, sondern es aufnimmt und im Lichte des Evangeliums zur Vollendung führt. Sie verachtet auch nicht den Reichtum der über die Jahrhunderte überlieferten christlichen Weisheit, so als ob sie sich einbildete, die Geschichte, in der Gott auf vielfältige Weise gewirkt hat, ignorieren zu können, denn die Kirche hat ein vielgestaltiges Gesicht ‚nicht nur aus einer räumlichen Perspektive (...), sondern auch aus ihrer zeitlichen Wirklichkeit heraus’. Dies ist die authentische Tradition der Kirche, die keine statische Ablagerung oder ein Museumsstück ist, sondern die Wurzel eines wachsenden Baumes. Die Jahrtausende alte Tradition bezeugt das Wirken Gottes in seinem Volk und hat die Aufgabe, ‚das Feuer am Leben zu erhalten, statt lediglich die Asche zu bewahren’“ (66).

Inkulturation des Glaubens bedeutet für die Kirche ein Geben, aber auch „einen Prozess des Empfangens, der sie mit dem bereichert, was der Geist bereits auf geheimnisvolle Weise in diese Kultur gesät hat. Auf solche Weise ‚verschönert der Heilige Geist die Kirche, indem er ihr neue Aspekte der Offenbarung zeigt und ihr ein neues Gesicht schenkt’“ (68). Dabei muss der Missionar zwischen dem Glauben der Kirche, den er verkündet, und der Kultur, in der er selbst aufgewachsen ist, unterscheiden. Die indigenen Völker können von ihrer Kultur her „eine glückliche Genügsamkeit“ lehren und die Erkenntnis, „dass die Erde, die sich als großzügige Quelle zu ihrem Lebensunterhalt verschenkt, auch etwas Mütterliches hat, das respektvolle Zärtlichkeit weckt“ (71).

 

Die indigene Spiritualität kosmischer Verbundenheit

Wertschätzung verdiene auch „die indigene Spiritualität einer gegenseitigen Verbundenheit und Abhängigkeit alles Geschaffenen“ (73); denn „die Beziehung zu Jesus Christus, dem wahren Gott und wahren Menschen, dem Befreier und Erlöser, (steht) nicht in einem unversöhnlichen Widerspruch zu dieser ausgesprochen kosmischen Weltanschauung, welche die indigenen Völker kennzeichnet, denn er ist auch der Auferstandene, der alles durchdringt. Für die christliche Erfahrung ‚finden alle Geschöpfe des materiellen Universums ihren wahren Sinn im menschgewordenen Wort, denn der Sohn Gottes hat in seiner Person einen Teil des materiellen Universums aufgenommen, in den er einen Keim der endgültigen Verwandlung hineingelegt hat’. Er ist herrlich und geheimnisvoll gegenwärtig im Fluss, in den Bäumen, in den Fischen, im Wind, da er als Herr über die Schöpfung regiert, ohne je seine verklärten Wunden zu verlieren, und in der Eucharistie nimmt er die Elemente der Welt an und verleiht allem den Sinn einer österlichen Gabe“ (74).

Hier klingt in den Worten des Papstes etwas von Pierre Teilhard de Chardins Schau der Gestalt des zur Weltmaterie gewordenen Gottes und seiner ‚Vision der kosmischen Eucharistie’ an, die Franziskus von seinem Ordensbruder sicher kennt. Nach dem Papst-Schreiben besteht ein besonders wertvoller Weg zur Inkulturation des Glaubens in den Sakramenten,

„weil in ihnen das Göttliche und das Kosmische, die Gnade und die Schöpfung vereint sind. In Amazonien sollten sie nicht als etwas verstanden werden, das mit der Schöpfung nichts zu tun hat. Sie ‚sind eine bevorzugte Weise, in der die Natur von Gott angenommen wird und sich in Vermittlung des übernatürlichen Lebens verwandelt’. Sie sind eine Vollendung des Geschaffenen, in dem die Natur zum Ort und Instrument der Gnade erhoben wird, um ‚die Welt auf einer anderen Ebene zu umarmen’.“ „In der Eucharistie wollte Gott ‚auf dem Höhepunkt des Geheimnisses der Inkarnation (…) durch ein Stückchen Materie in unser Innerstes gelangen. (…) [Sie] vereint Himmel und Erde, umfasst und durchdringt die gesamte Schöpfung’“ (81; 82).

 

Kontroverse um die als ‚Pachamama’ verehrte ‚Mutter Erde’

Bei der Amazonassynode in Rom spielte die Kontroverse um die von den indigenen Völkern als ‚Pachamama’ verehrte ‚Mutter Erde’ eine gewisse Rolle; wohl mit Blick hierauf wird gesagt: „Ein Mythos von spirituellem Sinngehalt kann aufgegriffen und muss nicht immer als heidnischer Irrtum angesehen werden“ (79). Bei der Eröffnung der Synode am 4. Oktober (2019), dem Gedenktag des heiligen Franziskus, waren auch nackte schwangere Frauen als Pachamama-Holzfiguren verwendet worden, was besorgte Gläubige zu einem ikonoklastischen Akt veranlassten und die ‚blasphemischen’ Statuetten aus der Kirche in den nahen Tiber beförderten, was ein weltweites Medienecho auslöste.

Dagegen betont der Papst: „Ein echter Missionar befasst sich damit, die berechtigten Anliegen hinter diesen religiösen Ausdrucksweisen zu entdecken, die manchmal unvollkommen und bruchstückhaft sind oder Irrtümer enthalten, und versucht, aus einer inkulturierten Spiritualität heraus darauf eine Antwort zu finden“ (79).

Bei aller Entschuldigung für manches Fehlverhalten von früheren Missionaren hält Franziskus an Notwendigkeit und Recht der christlichen Mission mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil fest. Dieses wollte „die Kräfte aller Gläubigen sammeln, damit das Volk Gottes, auf dem schmalen Weg des Kreuzes [vgl. Mt 7,13f] voranschreitend, die Herrschaft Christi, des Herrn, vor dessen Augen die Jahrhunderte stehen, ausbreite und seiner Ankunft die Wege bahne“ – als Forstsetzung der Sendung Christi; und weiter:

„Nicht ohne Grund wird Christus von den Gläubigen gefeiert als die ‚Erwartung der Völker und ihr Erlöser’ [O-Antiphon der Vesper am 23. Dezember im römischen Brevier]. Die Zeit der missionarischen Tätigkeit liegt also zwischen der ersten Ankunft des Herrn und seiner Wiederkunft, bei der die Kirche von den vier Winden her wie die Ernte in die Herrschaft Gottes gesammelt wird. Bevor nämlich der Herr kommt, muss allen Völkern die frohe Botschaft verkündet werden. Missionarische Tätigkeit ist nichts anderes und nichts weniger als Kundgabe oder Epiphanie und Erfüllung des Planes Gottes in der Welt und ihrer Geschichte, in der Gott durch die Mission die Heilsgeschichte sichtbar vollzieht“ (Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“ 1; 8; 9).

Zu Recht wurde aber gefragt, warum bei den Zeremonien der Amazonassynode kein Bild der (indigenen) Gottesmutter von Guadalupe mitgeführt wurde, das für die Missionierung Mittel- und Südamerikas nach 1531 doch von so entscheidender Bedeutung war. Damit das ‚gemeinsamen Haus’ (griech. Oikos) aller Menschen und allen natürlichen Lebens auf Dauer bewohnbar bleibt, bedarf es gewiss einer Integration der ‚positiven Elemente aus den Religionen’ wie beispielsweise einer neuen Wertschätzung von Erde und Natur als ‚heilig’, das heißt als bis zu einem gewissen Grad der menschlichen Verfügbarkeit entzogen und nicht einfach zur Ausbeutung freigegeben; es bedarf aber auch ihrer ‚Läuterung’.

 

Neue Ehrfurcht vor dem Schöpfer der Welt

Letztlich wird eine neue Ehrfurcht vor der Schöpfung nur dann Verhalten und Lebensstil nachhaltig verändern, wenn sie zugleich von einer neuen Ehrfrucht vor dem Schöpfer selbst geprägt wird. Denn die ökologische, pastorale und kulturelle Umkehr trägt nur auf der Grundlage einer spirituellen und nicht zuletzt einer bibelhermeneutischen Umkehr. Joseph Ratzinger hat 1986 noch als Erzbischof von München und Freising in vier Predigten über Schöpfung und Sündenfall (Im Anfang schuf Gott) den Zusammenhang zwischen dem biblischen Schöpfungsglauben, dem christlichen und außerchristlichen Kult sowie der Bewahrung der bedrohten Schöpfung herausgestellt. Wirklich schöpferisch-kreativ kann danach der Mensch nur in Einheit mit dem Creator selbst sein:

„Wir können der Erde nur wahrhaft dienen, wenn wir sie nehmen in der Weisung von Gottes Wort. Dann aber können wir uns selbst und die Welt wahrhaft voranbringen und vollenden. ‚Operi Dei nihil praeponatur’ – dem Werk Gottes soll nichts vorgezogen, dem Dienst Gottes nichts vorangestellt werden. Dieser Satz ist der wahre Erhaltungssatz der Schöpfung gegen die falsche Anbetung des Fortschritts, gegen die Anbetung der Veränderung, die den Menschen zertritt, und gegen die Verlästerung des Menschen, die gleichfalls die Welt und die Schöpfung zerstört und von ihrem Ziel abhält. Der Schöpfer allein ist der wahre Erlöser des Menschen, und nur wenn wir dem Schöpfer trauen, sind wir auf dem Weg der Erlösung der Welt, des Menschen und der Dinge“ (35).

Der wahre ‚Erhaltungssatz der Schöpfung’ aus der Regel des heiligen Benedikt von Nursia rückt die kultische Anbetung Gottes in die Mitte des Lebens, wie dies auch die biblische Schöpfungserzählung (und die eucharistische Anbetung) macht, die auf den Sabbat als Tag der Anbetung und Verherrlichung des Schöpfers hinausläuft. Auf den Sabbat/Samstag als ‚siebten Tag’ folgt der Sonn-tag als ‚achter Tag’, der in der Sieben-Tage-Schöpfung dann wieder der „erste Tag der Woche“ ist, an dem Jesus von den Toten erstand, „als eben die Sonne aufging“ (Mk 16,2).

 

Aufhebung der Zweiheit (des Sexuellen) in die Einheit Gottes

Der ‚achte Tag’ symbolisiert den ewigen Tag, er ist „der Tag, der keinen Abend kennt“ (Byzantinische Liturgie). Der Mensch wird als letztes, sexuell in der Zweiheit der gegensätzlichen Geschlechter unterschiedenes Geschöpf zusammen mit den (Erd-)Tieren am ‚sechsten Tag’ (Freitag) erschaffen (Gen 1,26-28), aber als achtes Werk des Schöpfers auf den ewigen ‚achten Tag’ jenseits der zeitlichen (lunaren) Welt hin.

Damit ist eben der Sonn-tag gemeint als Tag der Auferstehung, aber auch der Wiederkunft Christi als ‚hochzeitliche’ Aufhebung der Zweiheit (des Sexuellen) in die Einheit des Ein-Geist-und-ein-Fleisch-seins (Eph 4,2-6; 5,31f). Der ‚sechste Tag’ verweist als Venus-Tag (franz. vendredi; germ. Freya-Tag) auf die Göttin der (sinnlichen) Liebe, der sexuellen Begierde und der Triebbestimmtheit des ‚Fleisches’, die auf die (Trieb-)Freiheit des ‚achten Tages’ hin zu übersteigen ist, was der Sinn der Taufe auf Christi Tod (am sechsten Tag) und seiner Auferstehung (am achten Tag) ist (vgl. Gal 5,19-25).

Im Johannesevangelium läuft die Inkarnation als ‚Ein-wohung’ beziehungsweise ‚Bei-wohnung’ des Logos (Joh 1,14) daher auf das (eucharistische) Weinwunder auf der Hochzeit zu Kana (in den ‚sechs’ Krügen) hinaus und dann auf den Bundessschluss in der ‚Hochzeit am Kreuz’. Daran erhalten alle Gläubigen in Taufe (als ‚Hochzeitsbad’) und Eucharistie als „Hochzeitsmahl des Lammes“ (Offb 19,9) Anteil. Der männliche Priester repräsentiert bei diesem „Hochzeitsmahl des Lammes“ (Offb 19,9) den gekommenen und wiederkommenden Christus als Haupt und Bräutigam seiner „makellosen“ Braut Kirche (Eph 5,27).

Das sakramentale Selbstverständnis der katholischen Kirche als „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen gentium 1) lebt ganz von der Eucharistie her und damit vom Bild der Hochzeit oder der Vermählung von Christus und der Kirche. Der Dogmatiker Gisbert Greshake betont mit dem italienischen Theologen Giorgio Mazzanti, dass „das Symbol der Vermählung nicht auf eine Metapher hin reduziert werden“ darf, „auch nicht auf eines der vielen nützlichen Bilder, die das Mysterium zum Ausdruck bringen wollen; es ist auch kein Bild, welches das Mysterium nur begleitet… Das Symbol der Vermählung bietet sich dar als Symbol der Symbole und als Herz des Mysteriums, d. h. als Ausdruck der hochzeitlichen Liebe Gottes zur Menschheit“ (Maria-Ecclesia, 441f).

 

Ruf in die vollkommene Freiheit durch innere Umkehr

Angesichts der faktischen Sünde kann Gott den Menschen in seine vollkommene Freiheit in Einheit mit Ihm nicht anders als durch die innere ‚Umkehr’ rufen. Dieser Ruf hat in der Bibel die Gestalt der Gerichtspredigt, so besonders eindringlich bei Johannes dem Täufer:

„Ihr Schlangenbrut, wer hat euch gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Frucht hervor, die eure Umkehr zeigt, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann aus diesen Steinen Kinder Abrahams machen. Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen“ (Mt 3,7-10).

Auch Papst Franziskus schlägt diese Töne an: „Man muss sich empören, so wie Mose zornig wurde (vgl. Ex 11,8), so wie Jesus zürnte (vgl. Mk 3,5), so wie Gott angesichts der Ungerechtigkeit in Zorn entbrannte (vgl. Amos 2,4-8; 5,7-12; Ps 106,40). Es ist nicht gesund, wenn wir uns an das Böse gewöhnen, es tut uns nicht gut, wenn wir zulassen, dass unser soziales Gewissen betäubt wird, während ‚immer mehr Spuren der Verwüstung, ja sogar des Todes in unserer gesamten Region (…) das Leben von Millionen Menschen und speziell den Lebensraum der Bauern und Indigenen in Gefahr (bringen)’ (15).

Der Papst schlägt aber lieber leisere Töne an. Jan-Heiner Tück verweist auf den ungewöhnlichen Stil des Papstschreibens: Statt erwartbarer dogmatischer Weisungen oder disziplinarischer Regelungen werden reihenweise Gedichte zitiert. Die bedrohte Schönheit Amazoniens wird durch indigene und lateinamerikanische Stimmen der Literatur poetisch ins Wort gebracht. Tück bemerkt: „Die extensive Einbeziehung der Dichtung ins Genre des lehramtlichen Sprechens ist neu. Der Papst will offensichtlich die Wahrnehmung für die Leiden schärfen, den Blick auf das Übersehene lenken, zur Umkehr einladen.“

Die Reform-Agenden des Synodalen Weges in Deutschland und anderer Initiativen wurden dagegen vom Papst nicht bedient: „In dieser provozierenden Weigerung dürfte das Bemühen stehen, den Begriff der Reform zu weiten.“ Schon in seinem „Brief an das pilgernde Gottesvolk in Deutschland“ vom Juni 2019 habe der Papst an sein Kernanliegen erinnert: die Evangelisierung.

 

Hochzeit zwischen Gott und Mensch in Christus und Maria

Um zu verkünden, braucht es ein genaues Verständnis von dem, was überhaupt verkündet werden soll. Das in jüngster Zeit zugunsten der Priesterweihe der Frau häufig vorgebrachte Argument, Christus sei „für uns Mensch, aber nicht Mann geworden“, das sich auch der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode zu eigen gemacht hat, ist vor dem Hintergrund der biblischen wie auch der kosmischen oder allgemein religiösen Geschlechtersymbolik schlicht falsch. Richtig ist vielmehr, was Papst Franziskus am Hochfest der Gottesmutter Maria (1. Jan. 2020) sagte: „Am Neujahrstag feiern wir diese Hochzeit zwischen Gott und Mensch, die im Schoß einer Frau ihren Anfang genommen hat.“ In seinem Apostolischen Schreiben führt der argentinische Papst dazu aus:

„Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters. Dieser Dialog zwischen Bräutigam und Braut, der sich in der Anbetung vollzieht und die Gemeinschaft heiligt, sollte nicht auf einseitige Fragestellungen hinsichtlich der Macht in der Kirche verengt werden. Denn der Herr wollte seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesichtern kundtun: das seines göttlichen menschgewordenen Sohnes und das eines weiblichen Geschöpfes, Maria. Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben. Auf diese Weise bleiben wir nicht bei einem funktionalen Ansatz stehen, sondern treten ein in die innere Struktur der Kirche. So verstehen wir in der Tiefe, warum sie ohne die Frauen zusammenbricht... Hier wird sichtbar, was ihre spezifische Macht ist“ (101). 

Frauen in der Kirche stellen heute gern die „Machtfrage“. Um welche Macht es im Evangelium geht, wenn es heißt: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,13), wird nicht gefragt. Die den Logos Aufnehmende und Empfangende schlechthin ist die Jungfrau Maria. Franziskus sieht Christus immer zusammen mit ihr, „die eine Mutter aller“ und „Mutter Amazoniens“. Hat doch „vor allem der marianische Weg“ zur Begegnung der Indigenen mit Christus geführt (111), so dass sie den christlichen Glauben als Bereicherung und Vollendung ihrer eigenen Spiritualität aufnehmen konnten. Deshalb beschließt der Papst sein Schreiben auch mit einem eindringlichen Gebet zur Gottesmutter:

„Mutter des Lebens, in deinem mütterlichen Schoß nahm Jesus Gestalt an, er, der Herrscher über alles Seiende. Als der Auferstandene hat er dich mit seinem Licht verwandelt und zur Königin der ganzen Schöpfung gemacht. Deshalb bitten wir dich, Maria, herrsche im pochenden Herzen Amazoniens. Zeige dich als Mutter aller Kreatur, in der Schönheit der Blumen, der Flüsse, des großen Flusses, der dieses Gebiet durchzieht, und all dessen, was sich in seinen Wäldern regt. Beschütze mit deiner Liebe diese überbordende Schönheit. Bitte Jesus, dass er seine ganze Liebe ausgieße über die Männer und Frauen, die dort leben, damit sie fähig werden, diese Schönheit zu bewundern und zu bewahren.

Gib, dass dein Sohn in ihren Herzen geboren wird, damit er in Amazonien, in seinen Völkern und Kulturen erstrahle mit dem Licht seines Wortes, mit dem Trost seiner Liebe, mit seiner Botschaft der Brüderlichkeit und Gerechtigkeit. Gib, dass auch bei jeder Eucharistiefeier sich in uns so großes Staunen regt über die Herrlichkeit des Vaters. (…) Mutter mit durchbohrtem Herzen, die du in deinen gedemütigten Kindern und in der verwundeten Natur leidest, herrsche du in Amazonien zusammen mit deinem Sohn. Herrsche du, auf dass sich keiner mehr als Herr des Werkes Gottes fühle. Auf dich vertrauen wir, Mutter des Lebens, verlass uns nicht in dieser dunklen Stunde. Amen.“

 

Männliches und hierarchisch strukturiertes Amtspriestertum

Die Gleichheit und Gleichberechtigung der Geschlechter in einer Demokratie aufgrund der mit dem Menschsein gegebenen gleichen Menschenwürde kennt weder eine Berufung zur Heiligkeit, noch zur Einheit und zum allgemeinen Priestertum. Die Kirche ist aber um der Repräsentation des ‚hochzeitlichen’ Bundes willen wie das alttestamentliche Gottesvolk wesentlich eine priesterliche Kirche (1 Petr 2,9; Offb 1,6; vgl. Ex 19,5f), die eins und heilig ist, mit einem dreigestuften Weiheamt und so einer hierarchischen Struktur, die auch das Zweite Vatikanische Konzil keineswegs aufgegeben hat (vgl. SC 26; LG 8).

Nach dem Papst-Schreiben liegt der nicht delegierbare besondere Dienst des Priesters „im heiligen Sakrament der Weihe begründet, das ihn Christus, dem Priester, gleichgestaltet“ und „ihn allein befähigt, der Eucharistie vorzustehen“ (87). Die christliche Gemeinde wird „nur auferbaut, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat“ (89). Dass „das Priestertum als ‚hierarchisch’ betrachtet wird“, bedeutet aber „keine Überordnung“ gegenüber den anderen Diensten, sondern es ist ausgerichtet auf „die Heiligkeit der Glieder des mystischen Leibes Christi“.

„Wenn gesagt wird, dass der Priester ‚Christus das Haupt’ darstellt, dann bedeutet das vor allem, dass Christus die Quelle der Gnade ist“ (87). Die priesterliche Amtsvollmacht zur Feier der Eucharistie und zur Spendung des Bußsakraments kann „nur im Weihesakrament empfangen werden… Diese beiden Sakramente bilden die Mitte seiner exklusiven Identität“ (88). Das Bußsakrament ist dabei wie alle anderen Sakramente auf die Eucharistie hingeordnet, die bei den Kirchenvätern die lebensspendende Frucht vom Holz des Kreuzes als paradiesischer Baum des Lebens ist.

 

Die göttliche Schrift als fruchtbringendes Samenkorn

Nach Origenes (3. Jh.) ist „jede Rede der göttlichen Schrift einem Samenkorn vergleichbar, dessen Natur es ist, in die Erde geworfen, wiederaufzuerstehen in der Ähre oder was sonst die Gestalt seiner Frucht ist, und so sich zu vervielfältigen und auszubreiten, und das umso üppiger, je mehr Mühe der kundige Landmann aufgewandt hat und je größere Wohltat die fruchtbare Erde spendet. Solange die Brote unversehrt sind, wird niemand gesättigt, niemand erquickt, und man sieht auch nicht, wie sich die Brote vermehren. Erwäge nun also, wie wir die wenigen Brote brechen: wir nehmen aus den göttlichen Schriften ein paar wenige Worte, – und wieviel tausend Menschen werden nicht gesättigt!“ (Von Wort-Schrift zu Wort-Geist, in: Geist und Feuer, 141).

Die Schrift, das Wunder der Brot-Vermehrung, das Pascha-Mysterium Christi und die Mission werden hier von Origenes in eins zusammen gesehen, weil es von Pfingsten her die ‚christologische’ oder ‚pneumatologische’ Auslegung des Alten Testaments gibt. Sie ist die Weise, „in der das Alte Testament zur Bibel der Christen werden und bleiben konnte“, wie Benedikt XVI. em. erklärt: „Die pneumatische Überschreitung des alttestamentlichen Buchstabens in den Dienst des Neuen Bundes hinein erfordert so immer neu den Aufbruch vom Buchstaben zum Geist. Im 16. Jahrhundert hat Luther aufgrund einer völlig anders gearteten Lektüre des Alten Testaments diesen Überschritt nicht mehr vollziehen können.“ Das (eucharistische) Wort Gottes ist „unser wahres Brot, unser wirkliches Leben“ (Das katholische Priestertum, Nr. 1 und 2).

Luther hat die geistig-allegorische Schriftauslegung und besonders die des Origenes verworfen; dem ist die historisch-kritische Exegese gefolgt, die „grundsätzlich nur ein reduziertes Wahrnehmen des Textes und dessen Sinnfülle erlaubt“, so der evangelische Theologe Uwe Markstahler (Das Neue Testament im Licht der jüdischen Tradition, 2019, 9-43: Für eine erweiterte Wahrnehmung der Heiligen Schrift, 20).

Das vom Vater im Himmel (oder vom männlichen ‚Vater Himmel’) herabkommende unvergängliche Samen-Wort (1 Petr 1,23), das unser irdisches ‚Fleisch’ angenommen hat, gleicht dem (männlichen) Weizenkorn, das in die ‚Mutter Erde’ oder die (weibliche) Ackerfurche dieser Welt fällt und stirbt, um in Glaube und Liebe überreiche, übernatürliche Frucht der Gerechtigkeit zu bringen (Joh 12,24).

 

Paradox der geistlichen Fruchtbarkeit im Glauben

Von der Feier der Eucharistie her hat der neue Geist-Tempel der Kirche ein bleibendes organisches Wachstum, weil  das Prinzip seiner Fruchtbarkeit nicht die Sexualität von Mann und Frau ist, sondern die einende Kraft des Schöpfergeistes im lebendigen Weinstock Christus: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. (…) Dies trage ich euch auf: Liebt einander“ (Joh 15,16f), das heißt: seid „eins“ (Joh 17,21; Gal 3,28) und damit wieder gottähnlich.

Mit Blick auf Joh 15 sagt der Jesuit Andreas Schönfeld: „Das Anliegen Frucht zu bringen, haben die ersten Gefährten des Ignatius tief verinnerlicht“. Der von Papst Franziskus 2013 heilig gesprochene Peter Faber, einer dieser ersten Gefährten, habe „noch lange um das Gottfinden in allen Dingen gerungen“, das heißt darum, im Handeln zugleich beschaulich zu sein (in actione contemplativus), bis das Kreuz ihn „zu einer radikalen Umkehrung der Perspektive“ führte:

„Faber blickt nicht mehr auf die ‚Früchte’, d. h. Erfolge und affektiven Trost als Vergewisserungen seines Gnadenstandes. Sondern in allen Dingen schaut er auf die ‚Wurzel’ der Gnade, Christus.“ „Suche darum die Wurzel des Baumes nicht um ihrer Früchte willen; suche vielmehr die Früchte und alles andere um der Wurzel willen! Suche Tag für Tag dauerhafteren Halt und tiefere Einwurzelung (maiorem radicationem) in der Wurzel des Baumes, und sorge dich dafür weniger um das Fortdauern seiner Frucht in dir! Nicht die Frucht wird dich zur Herrlichkeit dieses Baumes führen, sondern die Wurzel.“ Schönfelds Fazit: „Je weniger ich den Erfolg suche, umso fruchtbarer ist mein Tun“ (Paradox der geistlichen Fruchtbarkeit, in: Geist und Leben, 2006, 1-10, 3 und 9f).

 

Vier Träume des Papstes für ein Amazonien

Seine vier Träume im Hinblick auf das geliebte Amazonien umreißt Papst Franziskus zu Beginn seines Schreibens so: „Ich träume von einem Amazonien, das für die Rechte der Ärmsten, der ursprünglichen (autochthonen) Völker, der Geringsten kämpft, wo ihre Stimme gehört und ihre Würde gefördert wird. Ich träume von einem Amazonien, das seinen charakteristischen kulturellen Reichtum bewahrt, wo auf so unterschiedliche Weise die Schönheit der Menschheit erstrahlt. Ich träume von einem Amazonien, das die überwältigende Schönheit der Natur, die sein Schmuck ist, eifersüchtig hütet, das überbordende Leben, das seine Flüsse und Wälder erfüllt. Ich träume von christlichen Gemeinschaften, die in Amazonien sich dermaßen einzusetzen und Fleisch und Blut anzunehmen vermögen, dass sie der Kirche neue Gesichter mit amazonischen Zügen schenken.“

Auffällig ist auch hier, wie häufig das Stichwort „Schönheit“ fällt. In der klassischen Metaphysik gehört Schönheit neben Wahrheit und Gutheit zu den Transzendentalien, die auf unterschiedliche Weise jedem Seienden zukommen; denn alles ist irgendwie fühlbar oder wahrnehmbar, erkennbar und erstrebbar. Mit dem Philosophen Boethius schätzt der heilige Bonaventura (13. Jh.) die ‚zahlenhaften Verhältnisse’ (griech. logoi), wodurch die Schönheit in der Weisheit begründet wird:

„Da alles Seiende schön ist und auf gewisse Weise Gefallen erregt, Schönheit und Gefallen aber nicht ohne ein Verhältnis bestehen können und ein Verhältnis zuerst von Zahlen bestimmt ist, deshalb ist notwendig alles Sein zahlhaft. Boethius sagt, dass ‚die Zahl das wichtigste Urbild im Geist des Schöpfers ist‘, deshalb ist sie die wichtigste Spur, die zur Weisheit führt“ (Itinerarium mentis in Deum, II, 10).

 

Jesus und Maria als „die schönsten von allen“

Biblisch ist die Schönheit eng mit der Heiligkeit und Gerechtigkeit verbunden. Im Alten Testament versinnbildet Josef von Ägypten nicht nur den Erlöser, sondern auch die erlöste Gestalt der Sexualität: Er ist „schön von Gestalt und Aussehen“ (Gen 39,6), was die jüdische Tradition auf die schöne Venus als Liebesgöttin und Fruchtbarkeitsstern sowie auf den ‚sechsten Tag’ oder Venus-Tag bezieht. Im sefirotischen Weltenbaum der zehn göttlichen Urpotenzen (Sefirot), wovon die sieben unteren auch die sieben Urtage der Schöpfung symbolisieren, verkörpert Josef als der „Gerechte“ die neunte (beziehungsweise sechste Sefira) „Jesod“ (= Fundament) mit einer ausgeprägt phallischen Bedeutung.

Das Herzzentrum des Sefirot-Baumes bildet die dritte beziehungsweise sechste Sefira Tiph’eret (oberhalb von Jesod): Schönheit, Harmonie, Erbarmen. Auch der Gekreuzigte ist nicht nur der Schmerzensmann, der „keine schöne und edle Gestalt (hatte), so dass wir ihn anschauen mochten“ (Jes 53,2); vielmehr ist er als Bräutigam seiner geliebten Kirche „der schönste von allen Menschen“, wie die Kirchenväter mit dem messianischen Königspsalm 45 (V.3) sagen. Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn nennt Jesus „die fleischgewordene Schönheit Gottes“ (Der Mensch als Abbild Gottes, 23-25: Christus ist die Schönheit).  Ähnlich der italienische Theologe Bruno Forte:  „Christus, die gekreuzigte Liebe, ist die Schönheit, die uns rettet.“

Für den russisch-orthodoxen Universalgelehrten Pavel Florenskij ist ‚ästhetisch‘ ein Synonym für ‚theologisch‘: Der Heilige ist das wiederhergestellte schöne ‚Bild Gottes’. Mit Bezug auf das Hohelied der Liebe (4,1.7; 6,1) wird die makellose Jungfrau Maria als „die schönste der Frauen“ besungen. Die 2. Strophe des gleichnamigen Marienliedes, 1927 aufgezeichnet von dem lothringischen Priester, Volksliedsammler und Volkskundler Louis Pink, besingt sie zugleich als heldenhafte Schlangenzertreterin: „Ihr Haupt ist gezieret mit goldener Kron,/ das Zepter sie führet am himmlischen Thron;/ ein sehr starke Heldin, mit englischem [= engelhaftem] Schritt/ der höllischen Schlange den Kopf sie zertritt“ (GL 889, Eigenteil Freiburg/ Rottenburg-Stuttgart).

 

Einladung, zur Wurzel zu gehen

Im „Paradiesgärtlein“ (s. o.) erscheint die Paradiesschlange beziehungsweise „der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt“ (Offb 12,9), als gezähmtes grünes unscheinbares Reptil, das (besiegt?) auf dem Rücken liegt und nicht auf der Lauer (rechts unten im Bild). Die Vision vom Paradiesfrieden des messianischen Reiches des Propheten Jesaja ist hier schon Realität geworden:

„Dann wohnt der Wolf beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Knabe kann sie hüten. (…) Der Säugling spielt vor dem Schlupfloch der Natter, das Kind streckt seine Hand in die Höhle der Schlange. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg; denn das Land ist erfüllt von der Erkenntnis des Herrn…“ (Jes 11,6-9).

Etwas Ähnliches dürfte Franziskus beim Schreiben an das ‚geliebte Amazonien’ vorm inneren Auge gestanden haben: „Ich lade die jungen Menschen Amazoniens ein, insbesondere die Indigenen »sich um die Wurzeln zu kümmern, denn von den Wurzeln kommt die Kraft, die euch wachsen, blühen und Frucht bringen lässt«. Für die Getauften unter ihnen umfassen diese Wurzeln die Geschichte des Volkes Israel und der Kirche bis heute. Sie zu kennen, ist eine Quelle der Freude und vor allem der Hoffnung, die zu mutigen und edlen Taten inspiriert“ (33).

Wurzel ist lat. ‚radix’, wer zu den Wurzeln geht, wird ‚radikal’. Bei Jesaja (V.10) heißt es: „An jenem Tag wird es der Spross aus der Wurzel Isais sein, der dasteht als Zeichen für die Nationen; die Völker suchen ihn auf; sein Wohnsitz ist prächtig.“ An Weihnachten wird gern das Lied von der Rose gesungen, die entsprungenen ist „aus einer Wurzel zart, wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art“ (Gotteslob 243). Jesse oder Isai ist der Vater von König David als Vorausbild des Messias; im Sefirot-Baum symbolisiert David den 7. Schöpfungstag (Sabbat) und die zehnte Sefira Malchuth: Gottesreich, Gegenwart Gottes (Schechina), ewiges Israel, himmlische Kirche, oberes Jerusalem. „Das obere Jerusalem aber ist frei, und dieses Jerusalem ist unsere Mutter“ (Gal 4,26). Im Sefirot-Baum ist die Wurzel nicht unten, sondern oben.

Klaus W. Hälbig

 

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