Feurige Hochzeitspredigt: Die erlösende Macht der Liebe

Zum Bild: US-Bischof Michel Curry (Chikago) bei seiner „Predigt des Jahres“ anlässlich der „Hochzeit des Jahres“ von Prinz Harry von Wales und Meghan Markle am 19. Mai 2018 auf Schloss Windsor.

Bei der „Hochzeit des Jahres“ von Prinz Harry von Wales und der Herzogin von Sussex, Meghan Markle, am 19. Mai 2018 in der St. George’s Kapelle von Schloss Windsor hielt der 65-jährige schwarze US-Bischof Michel Curry (Chikago) die „Predigt des Jahres“. Vor der versammelten Weltöffentlichkeit sprach der leitende Bischof der Episkopalkirche der USA ebenso feurig und emotional wie politisch und geistlich über die Macht und den Weg der keineswegs bloß romantisch verstandenen Liebe. 

 

Ausgangspunkt seiner 13-minütigen Rede war der Schluss des alttestamentlichen Hohenliedes der Liebe: „Stark wie der Tod ist die Liebe…, ihre Gluten sind Feuersgluten, gewaltige Flammen“ (Hld 8,6). Dem hebräischen Schalhebet für ‚Flamme‘ ist die Silbe ‚-jah‘ angehängt, was die Bedeutung verstärken kann, aber auch die Kurzform des Gottesnamens Jahwe ist. 

 

An dieser leicht überlesbaren Anspielung auf den Gottesnamen wird deutlich, dass das Hohelied, in dem Gott explizit gar nicht genannt wird, doch von seiner universalen Schöpferliebe handelt: „So spricht das Hohelied zwar nicht von Gott und seiner Liebe, meint diese jedoch sehr wohl“, wie Ludger Schwienhorst-Schönberger in seinem Kommentar zu Hld 8,6 erklärt.

 

Zweite Entdeckung des Feuers 

Michel Curry machte sich aber auch die Sicht des französischen Jesuiten, Paläontologen und Mystikers Pierre Teilhard de Chardin zueigen, eines der „großen Geister des 20. Jahrhunderts“. Teilhard zufolge sei die Bändigung des Feuers „one of the great scientific and technological discoveries in all of human history. Fire to a great extent made human civilization possible.” 

 

Erwähnt wird die Bedeutung des Feuers für das Kochen von Speisen (und damit ihre viel bessere Verwertung zur Entwicklung des vergleichsweise großen menschlichen Gehirns), für die Ausbreitung der Menschheit in alle Klimazonen und für die Verwendung von Eisen und Bronze, letztlich für die gesamte Industrielle Revolution: „No Industrial Revolution without fire. The advances of science and technology are greatly dependent on the human ability and capacity to take fire and use it for human good.”

 

Ohne Feuer, so Curry mit Teilhard de Chardin, sei die gesamte heutige Zivilisation und Kommunikation undenkbar. Chardin „went on to say that if humanity ever harnesses [bändigte] the energy of fire again, if humanity ever captures the energy of love, it will be the second time in history that we have discovered fire”. Die Entdeckung der erlösenden Liebe Gottes wäre demnach in ihrer Bedeutung wie eine zweite Entdeckung des Feuers mit all ihren Auswirkungen: „We must discover love. The redemptive power of love. And when we do that, we will make of this old world a new world.”

 

Gott als verzehrendes Feuer

Die Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz hat in ihrem Aufsatz „Sohn der Erde“: Teilhard de Chardin“ (in: IKaZ „Communio“ 34 [2005], 474-480) herausgestellt, dass Gottes Wirken als Feuer „ein Urbild Teilhards“ ist (476). Es ist aber auch ein Urbild der Bibel, die Gott als „verzehrendes Feuer“ (Hebr 12,29; Dtn 4,24) vorstellt, nach Otto Michel „das wichtigste Wort der Bibel“ – so wird Michel von einem Freund, dem Neutestamentler Klaus Berger, zitiert. Berger erwähnt in diesem Zusammenhang auch das Höllenfeuer: „Es gibt nur ein Feuer, nicht Gott neben dem Höllenfeuer. Denn entweder hat man es in sich oder man kommt darin um. Das Feuer der Hölle ist vielleicht kein zweites Feuer neben Gott, sondern wer Gott nicht in sich trägt – auf welche Weise auch immer (die Kirche hat hier öfter sanft geurteilt) –, der scheitert am Ende an der Heiligkeit und Größe Gottes. Denn dann ist das Feuer vernichtend“ (Geist Gottes, 2017, 94).

 

Ihren ganzen Ernst gewinnt die biblische Rede von der Erlösung der Welt von der Sünde nur vor dem Hintergrund des Gottesfeuers, das für den, der sich ihm verschließt, zum Höllenfeuer wird. Michel Curry hat diesen Aspekt in seiner feurigen Hochzeitspredigt verständlicherweise übergangen. 

 

Ein paar Worte zum Feuer des Heiligen Geistes, der die Heiligung des Menschen will, wären aber vielleicht doch nicht unangebracht gewesen (vgl. das Schreiben von Papst Franziskus Gaudete et Exsultate vom 19. März 2018 über den Ruf zur Heiligkeit als „in Fülle gelebte Liebe“). Dieser Geist nämlich wird „die Welt überführen (und aufdecken), was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist“ (Joh 16,9). 

 

Jesus ist in die Welt gekommen, um diesen Heiligen Geist mit seiner Liebeshingabe am Kreuz als „Feuer (vom Himmel) auf die Erde zu werfen“ (Lk 12,49), was dann mit der Herabkunft der Geist-Feuerzungen an Pfingsten bzw. in jeder Wasser- und Feuer-Taufe (Lk 3,16) realisiert wird.

Klaus W. Hälbig

 

Mehr zum Feuer des Geistes und der Liebe vgl. mein Buch: „Das Feuer vom Himmel. Gottes Geist der Weisheit und Liebe in Schöpfung und Kirche“ (2018).

 

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